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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Señor Martín. Aber die Kleine will ja nicht hier sein«, sagte er betrübt.
    Als deutlich wurde, dass er nicht der Grobian war, als den Isabella ihn mir dargestellt hatte, tat es mir leid, ihn so angefahren zu haben.
    »Haben Sie sie denn nicht rausgeworfen?«
    Beleidigt riss Don Odón die Augen sperrangelweit auf. Seine Frau trat herzu und nahm seine Hand.
    »Wir hatten Streit«, sagte er. »Es sind Worte gefallen, die nicht hätten fallen dürfen, von beiden Seiten. Die Kleine hat aber auch einen Dickschädel, gegen den nicht anzukommen ist … Sie hat gedroht, dass sie wegläuft und wir sie nie wieder zu Gesicht kriegen. Ihrer lieben Mutter ist fast das Herz stehen geblieben. Ich bin laut geworden und habe gesagt, ich werde sie ins Kloster stecken.«
    »Dieses Argument verfehlt bei einem jungen Mädchen von siebzehn Jahren seine Wirkung nie«, bemerkte ich.
    »Das war das Erste, was mir eingefallen ist … Wie sollte ich sie auch in ein Kloster stecken?«
    »Soweit ich sehen konnte, nur mithilfe eines ganzen Regiments Zivilgardisten.«
    »Ich weiß ja nicht, was sie Ihnen erzählt hat, Señor Martín, aber glauben Sie ihr nicht. Wir sind zwar keine Feingeister, aber auch keine Ungeheuer. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie ich sie behandeln soll. Ich bin nicht der Mann, der den Gürtel auszieht und sagt, wer nicht hören will, muss fühlen. Und meine Frau Gemahlin da getraut sich nicht mal, die Katze anzuschreien. Ich weiß wirklich nicht, wo die Kleine diesen Charakter herhat. Das kommt sicher vom vielen Lesen. Dabei haben uns die Nonnen gewarnt. Mein seliger Vater hat es schon gesagt: An dem Tag, an dem man die Frauen lesen und schreiben lernen lässt, wird man die Welt nicht mehr regieren können.«
    »Ein großer Denker, Ihr Herr Vater, aber das löst weder Ihr Problem noch meines.«
    »Was können wir denn tun? Isabella will nicht bei uns bleiben, Señor Martín. Sie sagt, wir sind einfältig, wir verstehen sie nicht, wir wollen sie in diesem Laden begraben … Dabei möchte ich nichts lieber als sie verstehen. Ich arbeite in diesem Laden, seit ich sieben bin, von morgens bis abends, und das Einzige, was ich verstehe, ist, dass es auf der Welt übel zugeht und dass sie kein Pardon kennt mit einem jungen Mädchen, das in den Wolken schwebt«, erklärte er, an ein Fass gelehnt. »Meine größte Angst ist, dass sie uns, wenn ich sie zur Rückkehr zwinge, wirklich wegläuft, und dann fällt sie in die Hände von irgendeinem … Ich mag gar nicht dran denken.«
    »So ist es«, fügte seine Frau mit leicht italienischem Akzent hinzu. »Glauben Sie mir, die Kleine hat uns das Herz gebrochen, aber es ist nicht das erste Mal, dass sie verschwindet. Sie ist wie meine Mutter, und die war eine echte Neapolitanerin …«
    »Auwei, die mamma «, sagte Don Odón.
    »Als sie sagte, sie werde sich für einige Tage bei Ihnen einquartieren und Ihnen bei der Arbeit helfen, waren wir sehr beruhigt«, fuhr Isabellas Mutter fort. »Wir wissen, dass Sie ein guter Mensch sind, und im Grunde ist die Kleine ja gleich nebenan, zwei Straßen weiter. Wir wissen, dass Sie sie dazu bringen werden zurückzukommen.«
    Ich fragte mich, was ihnen Isabella über mich erzählt haben mochte, dass sie glaubten, meine Wenigkeit wandle auf Wasser.
    »Gestern Abend erst sind einen Steinwurf von hier zwei Tagelöhner auf dem Heimweg zusammengeschlagen worden. Was soll man da sagen. Offenbar sind sie mit einer Eisenstange wie Hunde vertrimmt worden, und beim einen weiß man nicht, ob er überhaupt überlebt – der andere soll für den Rest des Lebens ein Krüppel bleiben«, sagte die Mutter. »In was für einer Welt leben wir eigentlich?«
    Don Odón schaute mich bestürzt an.
    »Wenn ich sie hole, wird sie wieder ausreißen. Und dann weiß ich nicht, ob sie noch mal jemanden wie Sie findet. Wir wissen schon, dass sich ein junges Mädchen nicht bei einem alleinstehenden Herrn einquartieren sollte, aber bei Ihnen wissen wir wenigstens, dass Sie ehrenwert sind und sich um sie kümmern werden.«
    Der Krämer schien gleich in Tränen auszubrechen. Mir wäre es lieber gewesen, er hätte die Flinte geholt. Es konnte immer noch irgendein neapolitanischer Vetter bei mir aufkreuzen, um mit dem Stutzen die Ehre der Kleinen zu verteidigen. Porca miseria.
    »Habe ich Ihr Wort, dass Sie auf sie achtgeben werden, bis sie Vernunft annimmt und zurückkommt?« Ich schnaubte. »Sie haben mein Wort.«
    Bis an den Hals mit Leckerbissen und Köstlichkeiten beladen, die

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