Bardo - Rueckfahrkarte Leben Tod

schließen. Wenn das nicht geschieht, so trachte danach, das sich vereinigende Paar als eine Darstellung des ursprünglichen Buddha zu sehen. Dieser Buddha wohnt in deinem Wesen. Er ist eins mit dir, auch wenn du es nicht weißt. Besinne dich und schöpfe aus deinem Innersten die nötige geistige Kraft, um den Weg des Erwachens fortzusetzen. Falls die Gebärmutter sich immer noch nicht schließt, stehst du zweifellos unter dem Einfluss einer sehr starken sexuellen Anziehung, die von einem der beiden Partner ausgeht, und eines tiefen Hasses auf den anderen, der jenen Platz einnimmt, um den du ihn beneidest. Verscheuche
diese negativen Gefühle aus deiner Seele, denn sie werden dich zu einer Existenz des Leidens führen. Verwende all deine Energie darauf, den Hass und die Leidenschaft aus Herz und Geist zu verbannen.
    Wenn dir das zu schwierig erscheint, dann versuche zu begreifen, dass alles, was du siehst, nur eine Projektion deines Vorstellungsvermögens ist, eine Illusion, und dass diese Illusion nichts als Verirrung und Schmerz zur Folge hat. Gelingt es dir jedoch, genügend Konzentration aufzubringen und zu der Einsicht zu gelangen, dass derlei Illusionen falsch sind und jeder Grundlage entbehren, wird sich die Gebärmutter von allein schließen.
    Sollte deine Konzentrationsfähigkeit unzureichend sein, so bediene dich der letzten Methode. Gewiss erinnerst du dich an das klare Licht, das du zu Beginn deiner Reise durch den Tod geschaut hast. Es war die Widerspiegelung deiner geistigen Natur, völlig leer, ohne Anfang, ohne Ende. Vergegenwärtige dir dieses Licht, strebe danach, seine Leere wiederzufinden, und lass deinen Geist, entspannt und zugleich empfänglich, fließen wie reines Wasser.
    Wenn trotz deiner Anstrengungen keine dieser Methoden funktioniert, wird die Pforte der Gebärmutter sich hinter dir schließen, wodurch du unweigerlich zur Welt getragen wirst, in der du dann eine Wiedergeburt erlebst. Gerate dabei nicht in Panik. Sobald du spürst,
dass du dich auf eine unerfreuliche Welt zubewegst, in der du nicht wiedergeboren werden möchtest, so denke an etwas Positives. Gelingt es dir, wirst du ganz von selbst in die richtige Richtung geleitet. Du kannst nicht fehlgehen. Lausche den Hinweisen, die ich dir nun geben werde, denn es sind die letzten, und sie ersparen dir vielleicht eine Wiedergeburt in einer der minderwertigen Welten.«
    Evan bekommt erneut einen Hustenanfall, der noch stärker ist als der erste. Tsepel hört auf zu sprechen und wendet ihm den Blick zu. Nach mehreren krampfhaften Versuchen, den Schleim auszuspucken, schluckt er ihn hinunter. Trotz Husten und verstopfter Atemwege schläft er weiter. Anne sitzt neben ihm. Machtlos streicht sie über sein Haar, in der Hoffnung, ihm dadurch Erleichterung zu verschaffen.
    »Ich bitte Sie, holen Sie Hilfe. Er ist erschöpft und muss dringend behandelt werden.«
    Tsepel seufzt sorgenvoll.
    Ach, guter junger Mann, bald bin ich damit fertig, deiner Frau Beistand zu leisten. Hinterher werde ich mich um dich kümmern.
    Er setzt seine Pendelbewegung ebenso fort wie seine Rezitation.
    »Edle Frau, höre meine abschließenden Empfehlungen. Im Laufe dieser letzten Etappe wirst du drei Entscheidungen
treffen müssen. Sie werden dein Geschlecht bestimmen, deinen Geburtsort und die äußere Gestalt deiner nächsten Inkarnation. Welche Gestalt du annehmen wirst, hängt ab von der Welt, in der du wiedergeboren wirst. Es gibt insgesamt sechs Welten. Einer jeden entspricht eine charakteristische Behausung. Zur Eile getrieben, wirst du versucht sein, in die erste Bleibe zu flüchten, die dir Schutz gewährt. Doch sei auf der Hut. Überstürze nichts. Es könnte sich um eine Falle deines Karmas handeln. Sei standhaft und suche nach dem richtigen Weg …«
    Anne lässt ihre Hand weiterhin über Evans Haar gleiten.
    »Mach dir keine Sorgen, mein Geliebter. Er weiß, dass es dir schlecht geht. Er denkt auch an dich.«
    »… Jede der sechs Welten hat eine eigene Farbe. Achte genau darauf wie auch auf deinen Körper, denn er wird die Farbe der Welt annehmen, in welcher du erneut zur Welt kommst.
    Wenn du zu einem luxuriösen Palast oder riesigen Schloss gelangst, wo dein Körper erbleicht, bedeutet dies, dass du die Welt der Götter betrittst, eine Welt der Illusionen, erzeugt durch Hochmut und Selbstsucht. Befindest du dich dagegen in einem tiefen Wald, wo du Waffen oder kämpfende Männer erblickst und dein Körper sich rötet, so heißt das: Du dringst ein in