Barins Dreieck
fiel es mir schwer, sie zu entdecken. Letztendlich gab es wohl nur eine Örtlichkeit hier in der Stadt, in der sie früher oder später auftauchen würde.
Konzerte. Klassische Musik. Meines Wissens gab es zwei Konzertsäle in A. mit durchgehend klassischem Repertoire. Concertgebouw und Nieuwe Halle. Ich hatte keine von beiden jemals aufgesucht, aber während ich hier bei meinem Bier saß und den dumpfen Flöten aus den Anden lauschte, beschloss ich, dass es an der Zeit wäre, mit ihrem Programm Bekanntschaft zu schließen.
Irgendwelche weitergehenden Ideen tauchten an diesem Abend nicht in meinem Kopf auf. Wahrscheinlich hatte Reins Text mich ziemlich erschöpft, und vielleicht hatte ich ja auch ein oder zwei Glas zu viel getrunken. Ich verließ die Bar gegen Mitternacht, fühlte mich aber nicht so betrunken, dass ich nicht den ganzen Weg bis zum Translators’ House zu Fuß zurückgelegt hätte. Der Finne – ein imposanter Kerl, der mit seinem großen, buschigen Bart und seiner Stimme, die wie eine Posaune klang, nicht wenig Ähnlichkeit mit einem vorchristlichen Donnergott hatte – saß zusammen mit dem Iren in der Küche. Sie unterhielten einander mit Trinkliedern und schlüpfrigen Geschichten, und noch durch die Decke konnte ich ihre Lachsalven und verblüffenden Flüche eine ganze Zeit lang hören.
W ind vom Meer her. Temperatur um null Grad. Ab und zu spärlicher Schneefall oder unterkühlter Regen. Der Januar machte weiter, wie er begonnen hatte. Bereits am Samstag der ersten Woche wechselte ich meinen Wohnort, durch die Zimmervermittlung bekam ich eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Ferdinand Bolstraat, nur zehn Minuten Fußweg von der Bibliothek entfernt. Der Besitzer war ein junger Fotograf, der soeben von National Geographic ein Halbjahresstipendium in Südamerika erhalten hatte, und unsere Abmachung umfasste auch die Pflege seiner Grünpflanzen und der Katze.
Letztere war eine träge, sterilisierte Sie mit Namen Beatrice, die abgesehen von einer halbstündlichen täglichen Visite über den Balkon zum Hof hinaus (wo sie passiv und ohne wirkliches Interesse saß und die Tauben beobachtete) sowie einigen Spaziergängen zum Futternapf und zum Katzenklo in der Küche kaum etwas anderes unternahm, als vor dem Gaskamin zu liegen und zu schlafen.
Das kleinere Zimmer war als Dunkelkammer eingerichtet, ich benutzte es nie, auf Grund der schlechten Isolierung verbrachte ich so gut wie die gesamte Zeit entweder im Bett oder auf dem Sessel vor der gleichen Wärmequelle wie Beatrice. Die einzige in der Wohnung, aber ich möchte betonen, dass ich dennoch vollkommen zufrieden mit der Situation war.
Vielleicht in erster Linie mit der Umgebung. Unten auf der Straße gab es alle möglichen Geschäfte, einen Albert Hijn, ein paar Bars und sogar eine Reinigung. Ich fand bald heraus, dass ich es nicht besser hätte treffen können, der Verkehr und das menschliche Treiben dort draußen waren während der meisten Stunden des Tages rege und abwechslungsreich, und wenn ich mich nur warm genug anzog, konnte ich am Fenster stehen und von meinem geradezu idealen Aussichtspunkt im zweiten Stock das Leben beobachten. Zweifellos gab mir das die Illusion von Kontrolle: dort zu stehen, zwar abgetrennt, aber dennoch nicht ohne Kontakt mit den Bewegungen in Zeit und Raum.
Was die Miete betrifft, so war sie erschwinglich, gewisse Korrekturen waren wegen der Blumen und Beatrice gemacht worden, und als ich mit Kerr telefonierte, stellte sich heraus, dass der Verlag nichts gegen die kleine Zusatzausgabe hatte, um die es verglichen mit dem Translators’ House ging.
Durch den Umzug bekamen auch meine Tage eine einheitlichere und routinemäßigere Prägung. Ich schlief oft lange, meist bis elf oder halb zwölf vormittags. Duschte, zog mich an, ging hinunter und kaufte eine Zeitung und frisches Brot. Nahm im Sessel sitzend, Beatrice auf den Füßen, ein ausgiebiges Frühstück zu mir, wobei ich die Nachrichten über die Lage der Welt las sowie die Übersetzung vom vergangenen Tag. Machte eventuell ein paar Korrekturen, und so gegen Viertel vor zwei verließ ich die Wohnung. Zuerst spazierte ich durch ein paar windgeschützte Gassen, trat dann hinaus in den Wind über der Ruysdalegracht, ging die Kuyperlaan und die Van Baerlestraat entlang, um an der Bibliothek anzukommen, ein paar Minuten nachdem sich ihre Tore geöffnet hatten.
Meistens saß Frau Moewenroedhe da – die Frau, die sich am ersten Tag um mich gekümmert
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