Herr Klee und Herr Feld | Roman
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Meine Herren! Ich werde Sie verlassen!
Moritz starrte sie an. Sein Löffel sank in die Suppe.
Aber Frau Stöcklein. Warum denn, um Himmels willen?
Alfred schaute nur kurz hoch und aß dann weiter.
Die Haushälterin blickte verlegen auf ihre Hände.
Ich bin heute fünfundsechzig und …
Moritz unterbrach.
Was? Heute?
Sie nickte und zog ein Taschentuch aus ihrer Schürze.
Moritz erhob sich.
Und wir haben es vergessen! Meine liebe Frau Stöcklein!
Er nahm die weinende Frau ungelenk in den Arm.
Es ist das erste Mal, dass Sie es vergessen haben, schniefte sie.
Er wollte sie beruhigen.
Alles Gute. Alles, alles Gute. Sie dürfen sich etwas wünschen.
Ein Kochbuch, murmelte Alfred kauend.
Moritz schaute zu seinem Bruder.
Hast du etwas gesagt?
Alfred sah Frau Stöcklein an.
Kann ich den Pfeffer haben? Solange Sie noch unter uns weilen.
Wie er diese Frau verabscheute, die sich als Hausherrin aufführte und seinen Bruder gegen ihn beeinflusste. Über drrreißig Jahrrre, so beschwor sie ihn mit ihrem oberhessischen »R«, über drrreißig Jahrrre haben wir das so gemacht und plötzlich kommt dieser Schauspieler daher und will mir erzählen, wie ich was zu tun habe! Schauspieler! Wie sie das aussprach! Wie Kinderschänder!
Einmal hörte er sie am Telefon zu ihrer Tochter sagen, ohne den Herrn Prrrofessor wär der schon verhungert! Nix Gescheites gelernt, aber den grrroßen Herrn spielen. Kein Wunder, dass die Frrrau Prrrofessor den nicht leiden konnte. Ein Schmarrrotzer ist das!
Ja, das hatte Alfred gehört. Er war daraufhin in die Küche gekommen und hatte lächelnd gesagt:
Der Schmarotzer wartet immer noch auf seinen Tee!
Sie war dunkelrot angelaufen und hatte sofort den Wasserkocher angeworfen.
Frau Stöcklein war die klassische Haushälterin, die »nichts vom Leben« hatte, wie sie gern betonte. Aber sollte Alfred deshalb Mitleid empfinden? Was hätte denn aus dem Trampel aus Nidda werden sollen? Miss Universum?
Frau Stöcklein war vor über dreißig Jahren zu den Kleefelds gekommen. Sie hatte als Aushilfsköchin im Jüdischen Altersheim gearbeitet, bevor man sie Fanny empfahl, die wieder einmal auf der Suche nach einer Perle war, weil es keine länger als einen Monat bei ihr aushielt. Ihr Reinlichkeitsfimmel war pathologisch. Man hätte jederzeit in der Küche eine Operation am offenen Herzen durchführen können.
Frau Stöcklein blieb. Ihr gefiel die geregelte Arbeit und dass sie zu einem Familienmitglied wurde. Ihre Tochter Susanne war damals fünfzehn. Die beiden zogen unters Dach, in die kleine, gemütliche Zwei-Zimmer-Wohnung.
Als die Tochter aus dem Ruder lief, die Schule schwänzte, sich nachts in der Stadt herumtrieb, waren es die Eheleute Kleefeld, die sich kümmerten. Sie versuchten, den störrischen Teenager wieder in die Zivilisation zurückzuführen. Aber Susanne war ausgewildert. So wurde sie, nicht überraschend, mit siebzehn Mutter. Frau Stöcklein war entsetzt, aber hatte sie es in dem Alter nicht ebenso gemacht? Es gehörte bei den Stöckleins zur Familientradition.
Inzwischen hatte Susanne vier Kinder von drei Männern und lebte in einer Art Kommune am Vogelsberg. Wenn sie mal nach Frankfurt kam, um ihre Mutter anzupumpen, machte sich Alfred aus dem Staub. Er ekelte sich vor Tattoos. Besonders solchen am Hals. Susanne und ihre Bikerfreunde waren lebende Horrorgemälde. Frau Stöcklein dagegen freute sich auf ihre hyperaktiven Enkelkinder und tat dann so, als sei alles in bester Ordnung.
Das ist die Jugend von heute, gell, entschuldigte sie die Barbaren. Mit iPhone, iPad und »ei geil« zogen sie schließlich von dannen. Natürlich versäumte es Moritz nie, Susanne noch selbst gemachte Marmelade mitzugeben, seine Spezialität!
Herr Professor, super, Sie sind ein total echter Schatz, echt, bedankte sich dann Susanne. Wahrscheinlich, dachte Alfred, warf sie das Glas in der nächsten Kurve aus dem Auto. Quittenkonfitüre mit Ingwer von einem alten, jüdischen Spinner! Geht’s noch?
Alfred war erleichtert. Schon bald würde er Frau Stöcklein nicht mehr ansehen müssen, wenn sie mit ihrem unförmigen Oberkörper in dieser dunklen Anrichte steckte. Wenn nur noch der fette Hintern herausragte und sie schnaufend das »Schabbesgeschirr« ans Tageslicht zerrte. Jeden Freitagabend deckte sie den Tisch dem Schabbes gemäß, mit zwei Leuchtern und silbernen Weinbechern. Alfred betrachtete sie zu diesem Anlass wie ein Wissenschaftler. Als sei Frau Stöcklein eine
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