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Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers

Titel: Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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hatte sie vor dem Bärtigen mit dem Messer gerettet. Es hatte ihr Spaß gemacht, sich mit ihm zu streiten, ihn zu zwingen, sich in vielen Dingen die Wahrheit einzugestehen, vor allem in Bezug auf Bartimäus. Eigentlich hatte er es überraschend gut aufgenommen. Was Bartimäus anging… Ihr stand wieder vor Augen, wie er zuletzt ausgesehen hatte, ein Mitleid erregender Schleimbatzen, entkräftet und der Welt überdrüssig. War es falsch, ihm jetzt nachzulaufen? Auch ein Dschinn braucht schließlich ab und zu seine Ruhe.
    Es läutete immer noch. Bei näherem Hinhören fand sie den Klang sonderbar, hoch und rein wie Gläsergeklingel, nicht tief und dröhnend wie die meisten Glocken in der Innenstadt. Außerdem waren es keine einzelnen Schläge, sondern ein ununterbrochenes Klingeln, das sie weder recht orten noch einordnen konnte. Sie spitzte die Ohren. Der Klang schwoll an und wieder ab. Es war ein liebliches Geräusch, wollte sich aber einfach nicht fassen lassen und wurde vom Rauschen des Blutes in ihren Ohren übertönt, von ihrem eigenen Atmen, dem leisen Geraschel ihres Pullovers, wenn sich ihre Brust hob und senkte. Jetzt packte Kitty der Ehrgeiz und sie lauschte noch angestrengter. Das Läuten schien von hoch oben zu kommen. Kitty versuchte, alle anderen Geräusche auszublenden. Erst allmählich, dann schlagartig wurde das Läuten lauter und deutlicher. Kitty nahm nichts anderes mehr wahr. Es klingelte und läutete, als müsste gleich ein kostbares Weinglas zerspringen, und es klang jetzt ganz nah.
    Ob man etwas sah? Kitty schlug die Augen auf.
    Und sah vieles auf einmal. Ein verwinkeltes Gebäude, schmale Flure führten nach allen Richtungen, liefen auseinander und wieder zusammen, führten um Ecken und endeten unvermittelt. In den Fluren gab es Treppen, Fenster und offene Türen, und Kitty bewegte sich mit großer Geschwindigkeit daran vorbei, zugleich ganz nah und sehr weit weg. Auf dem Boden lag katzenhaft zusammengerollt ein schlafendes Mädchen. Es gab noch mehr Menschen, überall sah man Grüppchen von Männern und Frauen, viele lagen flach auf dem Boden wie Tote oder Schlafende. Um sie herum standen undefinierbare Gestalten, die weder richtig menschlich noch eindeutig nicht menschlich waren. Mehr konnte Kitty nicht erkennen, denn wenn man hinsah, schienen sie sich aufzulösen. In einem entlegenen Flur war ein junger Mann in vollem Lauf erstarrt und blickte über die Schulter. Hinter ihm bewegte sich jemand, ein gestiefelter Mann mit einem Messer in der Hand kam mit langen Schritten immer näher. Auch diese beiden waren von den seltsamen Gestalten umringt.
    Kitty verspürte eine vage Neugier, aber das Ganze berührte sie nur am Rande. Das Geklingel war lauter denn je. Sie horchte wieder darauf, und zu ihrer Überraschung verzerrte sich das hübsche kleine Flurlabyrinth, als würde an allen vier Ecken daran gezogen, und die Wände und Figuren wurden unscharf. Bald sah man nur noch Farbschlieren, dann verschwanden auch die.
    Kitty nahm eine Art Brausen wahr, aber es war keine körperliche Wahrnehmung, sondern etwas Abstraktes, denn sie spürte ihren Körper nicht mehr. Sie erkannte undeutlich, dass sie auf allen vier Seiten von einer Art Mauern eingeschlossen war, die so hoch emporragten und so tief hinunterreichten, dass man nicht sah, wo sie anfingen und aufhörten. Eine war wie aus massivem schwarzen Gestein und drohte sie zu zermalmen, die nächste glich einem reißenden Fluss und wollte sie fortspülen, die dritte zerrte wie ein Wirbelsturm an ihr, die vierte war eine lodernde Feuerwand. Doch kaum waren sie auf Kitty eingedrungen, als sie schon wieder von ihr abließen, wenn auch widerstrebend, und Kitty durchschritt die Pforte, wechselte auf die andere Seite.

Kitty
28
    Gut, dass Kitty das Folgende eher als distanzierte Beobachterin erlebte denn als hilflose Beteiligte, andernfalls hätte sie wohl auf der Stelle den Verstand verloren. Da sie ihren Körper nicht mehr spürte, kam ihr das Ganze unwirklich wie ein Traum vor, und sie war hauptsächlich neugierig.
    Sie wurde von einem mächtigen Strudel erfasst, nein, »erfasst« traf es nicht ganz – sie war Teil eines mächtigen Strudels, in dem es nichts Festes, keinen Orientierungspunkt gab. Es war ein einziges Meer aus Licht, Farben und Formen, wobei sich die Formen unablässig wandelten, davontrieben und sich wieder auflösten, dabei aber weder fest noch flüssig noch eindeutig gasförmig waren, sondern, wenn überhaupt, ein Zwischending aus

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