Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
brodeln an und erzeugte in weiter Ferne ein Bild, das ausgesprochen lange erhalten blieb. Es war mehrfach gebrochen, als schaute man durch ein beschädigtes Kameraobjektiv. Kitty erkannte ihre Eltern, die Hand in Hand dastanden. Während sie noch gebannt hinsah, hob ihre Mutter winkend die Hand.
Komm zurück, Kitty!
Lasst mich! Kitty war verwirrt und bestürzt. Es war natürlich nur eine optische Täuschung, trotzdem geriet ihre Konzentration ins Wanken und sie verlor die Herrschaft über ihre Kugel, ihren einzigen Halt weit und breit. Die Kugel fiel in sich zusammen und zerfloss und schon kamen die gierigen Schlieren wieder angekrochen.
Wir haben dich lieb, Kitty!
Haut ab! Sie verscheuchte die Schlieren und das Bild ihrer Eltern verblasste. Verbissen brachte Kitty ihre Kugel wieder in Form. Es wurde ihr immer wichtiger, über irgendetwas zu bestimmen, über sich selbst zu bestimmen. Sie wollte auf keinen Fall wieder willenlos umhertreiben.
Immer neue Bilder blitzten auf, immer andere, die meisten zu kurz, um etwas zu erkennen. Trotzdem kamen ihr manche offenbar bekannt vor, denn sie lösten eine unbestimmte Erregung, ein vages Bedauern aus. Es flackerte und weit weg erschien ein alter, auf einen Stock gestützter Mann. Etwas Schwarzes kam von hinten auf ihn zu.
Kitty, bitte hilf mir! Es will mich holen! Mr Pennyfeather! Lass mich nicht im Stich! Der Alte drehte sich um und schrie in To
desangst auf, das Bild erlosch. Sofort erschien das nächste: Eine Frau lief zwischen Säulen hindurch, dicht gefolgt von einem dunklen, flinken Schemen. Weißes Licht flammte auf. Kitty konzentrierte sich wieder auf ihre Kugel. Nicht ablenken lassen, das sind alles bloß Trugbilder, sie haben nichts zu bedeuten.
Bartimäus!, flehte sie stumm. Abermals tat der Name seine Wirkung. Jakob Hyrnek stand vor ihr, ganz dicht und gestochen scharf, und lächelte sie bekümmert an.
Sei doch nicht so stur, Kitty, bleib einfach bei uns. Kehr lieber nicht auf die Erde zurück, es wird dir dort nicht mehr gefallen.
Wieso nicht? Kitty konnte sich die Frage nicht verkneifen.
Armes Kind. Wirst schon sehen. Du bist nicht mehr dieselbe.
Daneben erschien auf einer grasbewachsenen Anhöhe ein großer dunkelhäutiger Mann mit strengem Gesicht.
Warum kommst du her und belästigst uns?
Eine Frau mit hoher weißer Haube schöpfte Wasser aus einem Brunnen.
Wie kannst du dich erdreisten, einfach herzukommen? Du bist hier nicht willkommen.
Ich brauche Hilfe.
Die bekommst du hier nicht. Die Frau verschwand.
Der Dunkelhäutige wandte sich ab und stieg weiter die Anhöhe hinauf.
Was belästigst du uns?, wiederholte er über die Schulter. Dein Besuch quält uns. Er flackerte und verschwand.
Jakob Hyrnek lächelte mitleidig.
Mach dir nichts draus, Zauberin, du kannst sowieso nicht mehr heim. Ich bin keine Zauberin. Stimmt. Jetzt bist du ein Nichts. Farbschlieren umschlangen ihn und
er zerstob zischend und knisternd in tausend Farbtupfen.
Ein Nichts… Kitty betrachtete ihre Kugel, die inzwischen wie ein Schneeball schmolz. Kleine Flocken lösten sich von der unebenen Oberfläche und trudelten wie welke Blätter davon. Ja, sie war tatsächlich ein Nichts, ein körperloses, haltloses Geschöpf, da brauchte sie sich gar nichts vorzumachen.
Auch sonst hatten die beiden Recht. Sie hatte keine blasse Ahnung, wie sie wieder heimkommen sollte.
Ihre Konzentration ließ nach, die geschrumpfte Kugel drehte sich wie ein Kreisel und trieb davon. Kitty tauchte in den Strudel ein…
Ein Bild blinkte auf.
Hallo Kitty.
Zieh Leine.
Und ich dachte schon, du hättest mich gerufen.
Nathanael
29
Etwa eine halbe Minute sahen Nathanael und der Söldner einander unverwandt an. Keiner von beiden rührte sich. Eine Hand des Söldners verharrte mit dem Dolch in der Luft, die andere am Gürtel. Nathanael behielt beide im Auge, aber insgeheim verzagte er, denn er wusste, wie flink der Mann war. Bei ihren früheren Begegnungen hatte er Bartimäus an seiner Seite gehabt, aber diesmal war er völlig wehrlos.
Der Söldner machte als Erster den Mund auf. »Ich komme dich holen. Der Dämon will dich lebendig haben.«
Der Söldner machte als Erster den Mund auf. »Ich komme dich holen. Der Dämon will dich lebendig haben.«
Nathanael schwieg und rührte sich nicht vom Fleck. Er sann verzweifelt auf eine Taktik, konnte aber vor Angst keinen klaren Gedanken fassen.
»Ich glaube, ein paar unserer künftigen Herren hat es erwischt«, fuhr der Söldner fort. »Nouda ist
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