Bassus (German Edition)
jetzt trafen, nickte Ralf lediglich anerkennend. Das war auszuhalten.
Es war für Tony ein Schock gewesen, ihn hier vorzufinden, den einzigen Menschen, der wusste, dass er Tony Fuhrmann und nicht Siegfried Schwarz hieß. Doch Ralf hielt einfach die Klappe.
Tony betrat den Umkleideraum. Leer. Erleichtert lehnte er sich an die Wand. Und jetzt kam die Euphorie. Es hatte Uwe besiegt. Wow. Dann atmete er einige Male langsam ein und aus, bis das Glücksgefühl verebbte und er sich wieder nüchtern fühlte. Gefühle, auch schöne, gerade die schönen, waren gefährlich. Sie konnten überheblich machen, und dann war man weniger wachsam.
Er dachte an den Tag, an dem er seinem Vater Roland zum ersten Mal Schmerzen zugefügt hatte. Das war erst wenige Wochen her, und es war in der Garage gewesen. Tony hatte gerade sein Fahrrad geputzt, als plötzlich ein Schatten über ihn gefallen war.
„Ich habe dich schon mehrmals gerufen.“
Das stimmte nicht. Er hätte es gehört. Deshalb schwieg er und putzte weiter. Aber aus den Augenwinkeln behielt er Roland fest im Blick. Der kam näher.
„Das letzte Mal vor zehn Minuten.“
Tony gab noch immer keine Antwort. Da packte Roland ihn am Oberarm und zerrte ihn hoch. Sie sahen sich in die Augen. Schon oft hatte Tony sich anhören müssen, dass sein Vater sehr gut aussah. Aber niemand, der nicht sein Kind oder seine Frau war, wusste, dass er in Wirklichkeit ein brutaler Schläger war. Im Gegenteil, seine Familie wurde dafür beneidet, dass sie mit ihm zusammenleben durfte. Auch dass er Charme habe, hieß es immer. Er könne jeden um den Finger wickeln. Außerdem war er groß. Mit seinen dreizehn Jahren reichte Tony ihm gerade mal bis an die Schultern. Und sein Vater war gut in Form. Aber er betrieb keinen Kampfsport. Er spielte lediglich Tennis.
Jetzt hob er die Hand und holte aus. Aber statt Tony ins Gesicht zu treffen , prallte seine Hand auf eine Eisenstange. So jedenfalls musste es sich angefühlt haben, als Tony seine Kung-Fu-Faust im genau richtigen Winkel und mit einer ungeheuren Kraft, die er aus dem Bauch herausholte, dem Schlägerarm seines Vaters entgegensetzte.
Nie würde er Rolands Aufschrei vergessen. Überrascht und regelrecht fassungslos hatte er seinen schmerzenden Arm gehalten und seinen Sohn angestarrt. Gerne hätte Tony gelacht, doch er wusste, die Schlange würde jetzt noch gefährlicher werden. Er musste auf der Hut sein und sich keine Blöße geben, sich nur ja nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Nein, er musste eins draufsetzen. Roland noch mehr Angst einjagen. Deshalb verzog Tony keine Miene. Mit der kältesten Kälte, zu der er fähig war, starrte er zurück.
Dann sah er für einen kurzen Moment die Unsicherheit in Rolands Augen. Danach kam die Wut. Aber das hatte Tony vorausgesehen. Sein Vater stürzte sich auf ihn, und wieder konterte Tony gezielt. Er duckte sich weg und rammte seinem Vater den Ellenbogen in die Nieren. Roland krümmte sich zusammen und musste sich an einem Metallregal festhalten.
Aus ein paar Schritten Entfernung, wieder im breitbeinigen Ausfallschritt der Kampfposition, betrachtete Tony ihn ohne jede Regung. Roland richtete sich langsam auf.
„Dafür wirst du büßen“, sagte er ruhig. Dann ging er.
Tony wusste, dass er von jetzt an noch besser aufpassen musste. Jede Sekunde seines Lebens. Tag und Nacht. Und trotzdem war die Welt seither anders geworden. Gefährlicher, sicher, aber auch besser. Eindeutig. Er war jedenfalls gewappnet. Er würde diesen Krieg gewinnen.
Konnte er es riskieren, sich kurz unter die Dusche zu stellen? Er öffnete die Tür einen Spalt und blickte in die Halle. Uwe saß jetzt auf einer Bank und versuchte immer noch zu begreifen, was geschehen war. Er schien jedoch in Ordnung zu sein. Gut. Tony schätzte, dass in den nächsten drei Minuten wohl niemand duschen würde. Nachdem er die Tür wieder zugemacht hatte, zog er sich blitzschnell aus und lief in den Duschraum. Als er fertig war und mit dem Handtuch um die Hüften wieder in den Umkleideraum kam, vermied er es, in den großen Spiegel zu sehen, der dort hing. Selbst heute, wo er sich stärker denn je fühlte, hätte er den Anblick der vielen Narben auf seinem Körper nicht ertragen. Mit Lichtgeschwindigkeit schlüpfte er in seine Straßenkleider, stopfte die Sportsachen und das Handtuch mit dem Duschgel in seinen Rucksack und verließ den Club.
Eine halbe Stunde später stieg er aus der U-Bahn und fuhr auf der Rolltreppe nach oben. Er senkte den
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