Batmans Schoenheit
Hause Rubinstein die Lichter.
»Na, ich könnte natürlich auch was arbeiten«, sagte Cheng. In seiner Stimme war ein kleiner Knochenbruch. Wenigstens eine Zerrung.
»Kommt nicht in Frage«, erwiderte Ginette. »Was willst du denn arbeiten?«
Ja, was wollte er denn arbeiten? Ein Wirtshaus eröffnen? Einen Aquarienhandel aufziehen? Ein Handbuch für Einarmige schreiben? Lächerlich, einer wie Cheng war entweder Detektiv oder er war gerade nicht Detektiv, lebte also davon, etwas alternativlos nicht zu sein. Abgesehen davon war es in einer guten Familie absolut notwendig, wenn ein Elternteil frei war von den kanibalistischen Anforderungen des Berufslebens. Selbst dann, wenn die Tochter bereits fünfzehn war. Ständig geschah etwas. Und gleich, was es war, Cheng stand zur Verfügung. Er war wie ein Schirm.
Bei jemand hingegen, der in einem Büro arbeitete, mußte schon eine Katastrophe geschehen, daß man ihn während der Arbeitsstunden ziehen ließ. Und die Definition dessen, was eine Katastrophe war, verschob sich zusehends in Richtung Weltuntergang. Wären die Unternehmer dazu in der Lage gewesen, sie hätten es verboten, während der Arbeitszeit zu sterben.
Wie auch immer, kein Job für Cheng, das war die Maxime.
Sechstes Bild:
Kirschblüte
Es nützt nichts, sich die Ohren zuzuhalten, wenn man ohnehin genau weiß, was gesprochen wird. Oder die Hand vor die Augen zu pressen, um sich den Anblick eines Gespensts zu ersparen, das man bereits gesehen hat und nicht vergessen kann, da es da ist.
Ohne es zu wollen, erfuhr Red immer mehr über die Aktivitäten, die sein Chef Swedenborg neben den offiziellen Geschäften unternahm. Er hatte nun mal begriffen, daß es sich nicht bei jeder Fuhre Obstsaft auch wirklich um Obstsaft handeln mußte. So wie nicht jede Wasseraufbereitungsanlage, nur, weil sie so hieß, Wasser aufbereitete. Eine Gottesanbeterin betet nicht und ein Bademeister ist kein Meister. Reds Blick schärfte sich insofern, einige von Swedenborgs Partnern als das zu erkennen, was sie waren: Verbrecher, gebildete Verbrecher, vornehme Menschen wie Swedenborg, aber Leute, die mit derselben Leichtigkeit, mit der sie einen Scheck für ein Kinderheim überreichten, auch einen Killer beauftragten zu tun, was ihrer Meinung nach getan werden mußte. Indem nun wiederum diese Leute durchschauten, daß Red im Bilde war, verzichteten sie immer seltener darauf, die Dinge beim Namen zu nennen. Dies war Swedenborg so wenig recht wie Red, aber es passierte. Der Schatten war stärker. Und wenn nun etwas im Schatten besonders gut gedeiht, dann ist es der Zynismus.
Red begann zusehends, jenen wackeligen, aber in sich grundsoliden Standpunkt zu vertreten, der da hieß: Wenn wir die Waffen nicht verkaufen, verkaufen sie die anderen. Auch war er zu der Meinung gelangt – man könnte sagen: an der Meinung erkrankt –, daß, wenn Leute wie Palle Swedenborg den Drogenhandel, den Menschenhandel, den Handel mit Organen und Waffen und Giftmüll kontrollierten, dies besser sei, als es den Russen und Türken und sonstwelchem Bauernvolk zu überlassen. – Wieso besser? Rekrutierte Swedenborg denn menschenfreundlichere Schergen? War der Stoff, den er auf den Markt brachte, weniger gesundheitsschädlich? Ein Spötter meinte einmal, Swedenborg würde den Mädchen, die seine Leute von irgendwo herholten und in die Prostitution zwangen, Gedichte von Rilke vorlesen lassen, nur, daß diese Mädchen leider zu wenig Deutsch konnten, um Rilke zu verstehen. Was für die meisten auch nach Jahren noch galt, bevor man sie wieder – ausgelaugt, zerstört, frühzeitig gealtert – heimschickte, den Namen Rilke in ihren Köpfen, ohne zu ahnen, daß es sich nicht um eine Drohung, sondern den Namen eines Dichters gehandelt hatte.
Aber Red schaffte es zusehends, sich alles, was da geschah, wenn schon nicht in Rosa oder in Pastelltönen, so doch wenigstens als eine kunstvolle Komposition zu denken. Ein wenig so, als würde die Vorstellung vom betlehemitischen Kindermord dadurch weniger schrecklich sein, weil selbiger von Rubens in ein geniales Bild umgesetzt worden war. Man darf nicht vergessen, daß Red ja ursprünglich von der Malerei herkam, es somit gewohnt war, ästhetischen Prinzipien zu folgen und gerne willens, das Leben mit der Kunst zu vertauschen.
In erster Linie aber verdrängte er. Man könnte sagen, daß er, bei aller Liebe zu Rubens, das Bild der abgeschlachteten Kinder solange abstrahierte – ungefähr in der Art, wie vielleicht Piet
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