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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Chlortabletten verseucht). Nein, er zählte zur Gruppe der Improvisatoren, einer in Wien nicht ganz unüblichen Daseinsform. Jedenfalls war es unter diesen laienhaften Umständen bereits als ein Erfolg anzusehen, daß die meisten der einmal ausgewachsenen Krebse einige Wochen überlebten. Eine längere, wie manchmal in der Literatur angegebene Lebensdauer, wäre auf diesem Fensterbrett, mit Blick auf die Lerchenfelder Straße, unrealistisch gewesen.
    Warum aber lebte Batman noch immer? War es der Wille zur Macht, wie Cheng langsam zu vermuten begann. Denn ab einem gewissen Moment – wobei Chengs Betrachtungen natürlich stets den Entwicklungen hinterherhinkten – war festzustellen, daß Batman das einzige Männchen im Aquarium zu sein schien. Er klammerte sich immer wieder mit seinen sogenannten Mandibeln am Brutsack eines Weibchens fest (auf Deutsch gesagt: er biß sich fest), um sodann eine ganze Weile mit ihr durch die Gegend zu ziehen und Sex zu haben. Allerdings nicht tagelang, wie das durchaus üblich war. Vielmehr löste er sich nach einigen Stunden unter der heftigen Bewegung der Unterleiber von der Partnerin und nahm sich eine neue.
    Gut möglich, daß Batmans orientalische Situation einfach einem Zufall zu verdanken war. Schließlich konnte es sogar vorkommen, daß gar kein Männchen einer solchen Population angehörte und das Fortbestehen allein dank Jungfernzeugung bewerkstelligt wurde. Im vorliegenden Fall gab es nun immerhin ein Männchen. Hatte somit nicht alles seine Ordnung?
    Nein, dachte Cheng. Vor allem irritierte ihn der Eindruck, bei den umhertreibenden oder in die Architektur eingebauten Körpern der jüngst verstorbenen Krebse handle es sich wenigstens teilweise um männliche Exemplare. Dazu kam, daß, bevor Batman diese Leichname in seinen täglich neu aufzubauenden Turm integrierte, er sie herumzuwirbeln pflegte. Das hatte etwas von einem Triumph an sich, glich jener atavistischen Unart, die Gegner noch im Zustand des Todes zu verspotten und zur Schau zu stellen.
    Cheng unterließ es zunächst, über seine Wahrnehmungen zu sprechen. Wenn er sich mit seiner Frau – Lena wollte sowieso nichts davon hören – über die Krebse unterhielt, dann betonte er vor allem das Faszinosum, am Fensterbrett Wesen zu beobachten, die in dieser Form seit dem Jura existierten und deren andauernde Bewegung ihn immer wieder zu der Frage dränge, wie man sich vorstellen müsse, daß solche Tierchen schlafen.
    »Wie meinst du das?« fragte Ginette. »Ob sie träumen?«
    »Na, sie scheinen sich ja nicht einfach hinzulegen und eine Mütze Schlaf zu nehmen«, antwortete Cheng, »sondern treiben umher. Als wären sie für diesen Moment bewußtlos. – Wenn man bewußtlos ist, träumt man nicht. Oder doch?«
    »Ich hab’s auch nicht ernst gemeint«, sagte Ginette.
    »Ich schon. Also ich frage mich: Welche Lebewesen träumen und welche nicht?«
    »Das dürfte mit dem Gehirn zusammenhängen«, vermutete Ginette. »Haben Salzkrebse ein Gehirn?«
    »Na, Batman auf jeden Fall.«
    »Meine Güte, wer ist Batman? Redest du von deiner Katze?«
    Jetzt hatte er sich verraten. Doch er wollte nicht lügen. Darum sagte er: »Einer von den Krebsen heißt so.«
    »Ach ja. Und wie heißen die anderen? Robin? Joker?«
    Nun, wenn es einen Robin oder einen Joker gegeben hatte, dann waren die jetzt tot.
    »Dieser Krebs …«, zögerte Cheng, »… er ist ein bißchen … besonders.«
    »Wie besonders?«
    »Ich glaube, er kann denken. Und ich glaube, er ist böse.«
    »Ach so«, sagte Ginette. Mehr sagte sie nicht zu dem Thema. Sie begann von etwas anderem zu sprechen. Eine Kollegin hatte geheiratet und plante zu kündigen. Sehr wahrscheinlich wollte man ihr, Ginette, jetzt einen Ganztagsjob anbieten. Und da die finanziellen Verhältnisse im Hause Rubinstein nicht ganz so rosig aussahen – Cheng war gewissermaßen ein Frührentner ohne Rente −, würde sie schwerlich ablehnen können.
    »Wovor ich mich am meisten fürchte«, äußerte Ginette, »ist das frühe Aufstehen. Ich bin’s einfach nicht mehr gewohnt. Außerdem denke ich, daß man vom Frühaufstehen Falten bekommt, daß man ungnädig wird. Dünnlippig und breitarschig. Wirst du mich mit einem breiten Arsch noch mögen?«
    »Ich wachse einfach mit«, meinte Cheng, machte dann aber einen ernsten Vorschlag: »Man müßte sich vielleicht früher niederlegen.«
    »Wie früh denn noch?« erkundigte sich Ginette. Und da hatte sie wirklich recht. Um spätestens zehn erloschen im

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