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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sind nicht von hier. Sie fahren doch nicht so weit hinaus, weil’s bei uns das beste Bier von der Welt gibt.«
    Nun, das stimmte absolut. Dennoch hatte Red jetzt Lust auf ein solches Bier, selbst wenn es nicht einmal das beste von ganz Favoriten sein mochte. Beziehungsweise drängte es ihn, eine einmal vorgenommene Bestellung auch eingelöst zu bekommen. Darum also insistierte er, serviert zu erhalten, worum er freundlich ersucht hatte.
    »Wie Sie glauben«, seufzte die Chefin, zog ihre breiten, mit perlmuttern schimmernden Fingernägeln ausgestatteten Hände von der Hüfte herunter und ging daran, eine Flasche aus dem Eisschrank zu holen. Gösser hieß dieses Bier und es ist definitiv nicht das beste auf der Welt, was ja auch niemand behauptet hatte.
    Selbiges Bier namens Gösser hatte in dem Muster, das sich aus der Farbe Rot und dem Namen Liverpool zusammensetzte, eigentlich nichts verloren. Und so schmeckte es auch.
    Zudem war es nicht klein, sondern groß. Dennoch trank Red es aus und erkundigte sich sodann bei der Dame hinter der Theke, wo sich der Buchladen befinde.
    »Also was jetzt!?« beschwerte sich die Frau, als würde nämlich nur das eine oder das andere gehen, aber nicht beides zusammen. Entweder Bier oder Buchladen.
    »Sagen Sie schon endlich«, verlangte Red. »Ich verrate auch keinem, daß Sie mir Alkohol eingeschenkt haben.« Dabei gab er seinem Blick eine Drehung durch das leere Lokal.
    Die Dame schien jetzt mehr zu sich selbst zu sprechen. Sie bekundete, nie begriffen zu haben, wieso jemand so weit draußen, wo, wenn überhaupt, eine Apotheke oder ein Sonnenstudio sich eignen würden, ausgerechnet auf die Idee kommen konnte, einen kleinen, staubigen Buchladen einzurichten.
    »Na, um ehrlich zu sein«, sagte die Frau, sich selbst entgegnend, »war der Buchladen schon vorher da, vor uns anderen.«
    Natürlich war er das. Denn daß eine Insel vulkanischen Ursprungs, die das letzte Mal vor zweitausend Jahren eine Eruption zu verzeichnen hatte, mit Sicherheit älter war als der Rest der Geschäfte an diesem Platz, konnte sich Red denken.
    Er bezahlte sein kleines großes Bier und folgte der Armbewegung der Frau in den hinteren Teil des Lokals.
    »Durch die Türe, dann rechts«, rief sie ihm hinterher.
    Red betrat einen kleinen, fensterlosen Gang, wandte sich gemäß der Anweisung nach rechts und gelangte am Ende dieser stollenartigen Verbindung an eine weitere Türe. Einen Schritt, bevor er sie erreichte, ging oberhalb des Türstocks in einem Glaskästchen ein Licht an, so daß die an die Scheibe geklebten Buchstaben sichtbar wurden, welche, nicht unbedingt überraschend, das Wort BOUVET ergaben. Denn logischerweise war dies der Name des Buchgeschäfts.
    Red öffnete die Türe und stieg nun mehrere Stufen abwärts, zunächst beinahe blind, derart war er vom Licht geblendet, das von einem einzigen, säulenförmig länglichen Fenster in die Mitte des Raums fiel und dort einen enormen Wirbel durch die Luft flirrenden Haus- und Bücherstaubs illuminierte. Zu beiden Seiten des sonnenbeleuchteten Zentrums erhoben sich bis zur hohen Decke hin zwei Konstruktionen aus hölzernen Balken, deren Etagen man über integrierte Treppen emporsteigen konnte. Diese zwei Komplexe waren zur Gänze mit Büchern angefüllt, die teils in offenen Regalen, teils in Form gewaltiger, sich gegenseitig stützender Stöße lagerten, oder aber auf kleinen Tischen, die sich unter der Last bogen wie anderswo im Rahmen einer Freßorgie.
    Der Mann, wenn es denn ein Mann war, der nun von der Seite her auf Red zukam, war mit Sicherheit in noch keine einzige Freßorgie geraten. Wohin auch hätte er etwas fressen sollen? Denn gleich zu welchem Zweck sein Körper nutze sein mochte, wohl kaum dazu, mehr Nahrung aufzunehmen als jene Vögelchen, die draußen vor dem Haus so hübsch musizierten.
    Nie hatte Red einen dünneren Menschen gesehen. Ausgemergelt war gar kein Wort, obgleich der Mann ja angezogen war und einen blauen Trainingsanzug trug. Doch so wenig Fleisch unter dieser Kleidung verborgen war, so überdeutlich, geradezu schmerzvoll spürbar war dieses Wenige. Zudem lieferten die Hände, die Gelenke sowie der aus dem Kragen gleich einer vertrockneten Knospe hochsteigende Kopf ein einprägsames Bild. – Dennoch, dieses Bild erschreckte nicht. Hier stand weder ein Ungeheuer noch ein lebender Leichnam. Und obschon ein Vergleich mit Fotos, die man von Konzentrationslagern kannte, sich anbot, war das in diesem Fall etwas anderes. Die

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