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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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einen kleinen Supermarkt und einige Läden beherbergte, ein Friseurgeschäft, einen Schlüsseldienst und ein kleines Café, das den Namen Liverpool trug. Die Flagge im Schaufenster dieser Mischung aus Espresso, Kneipe und Eissalon war ein mehr als deutlicher Hinweis, daß die Besitzer oder Gäste in irgendeiner Form dem gleichnamigen englischen Fußballverein huldigten. Man sah darauf ein Wappen in Rot und Grün, und darin eingewoben den Spruch YOU’LL NEVER WALK ALONE , in Erinnerung an die Hillsborough-Katastrophe, als bei einer Massenpanik sechsundneunzig Zuschauer starben.
    Diese Flagge und dieser Name waren nun in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Gar nicht so sehr, weil man ja in Wien war und in dieser Gegend eher eine Anhängerschaft des in unmittelbarer Nähe beheimateten FK Austria Wien hätte vermuten dürfen. Denn Liverpoolfans gab es überall auf der Welt, dies entsprach wohl dem Bedürfnis nach Größe und Dramatik, nach Superlativen und einer gelebten Internationalität. Nein, was verblüffte, war einerseits der Umstand, daß der FC Liverpool auch unter der Bezeichnung The Reds firmierte, woraus sich ein weiteres prägnantes Aufzeigen dieser Farbe und vor allem natürlich seiner englischen Benennung ergab, und es zweitens ja so war – wie sich der Mann, der einstmals Hemingway geheißen hatte, aber schon lange nur mehr als Red bekannt war, jetzt wieder erinnerte –, daß die Bouvet-Insel zur Zeit der britischen Besitznahme den Namen Liverpool Island getragen hatte.
    Es gibt Menschen, die meinen, daß die Welt im Grunde von einem Bezugssystem der Dinge und Namen und Symbole bestimmt wird. Etwas, das den Unwissenden und Ahnungslosen verborgen bleibt und als reine Anhäufung von Zufällen interpretiert wird. Doch in Wirklichkeit sind diese scheinbaren Anhäufungen Ausdruck eines Musters, eines Musters allein mit dem Ziel, ein Muster zu bilden. Weshalb es keinesfalls als ein Zufall zu bezeichnen ist, wenn Dinge, die rot sind, versuchen, mit anderen ebenfalls roten Dingen zusammenzufinden, gleichermaßen wie jene Dinge, die Red heißen und etwas mit Liverpool zu tun haben.
    Von diesen Standpunkt aus betrachtet, bot sich die Vermutung an, daß die eigentliche Funktion der Bouvetinsel die war, 1825 nach jener englischen Stadt benannt worden zu sein, die von 1892 an auch einem Fußballverein ihren Namen lieh, einem Verein, welcher als The Reds bezeichnet wurde, was ja eigentlich nach der Mehrzahl eines Mannes klingt, der sich mit neunzehn Jahren entschlossen hatte, seinen Familiennamen gegen einen Künstlernamen einzutauschen. Und welcher nun in einer weithin als »rotes Wien« bekannten Metropole gelandet war, gegenüber jenem Punkt mit den Koordinaten 54° 24' 33'' S, 3° 21' 10'' O, der sich bei der Übertragung des Gradnetzes der Erde auf eine Wienkarte ergab (genauer gesagt handelte es sich um die Übertragung des World Geodetic Systems, das dann also als Vienna Geodetic System oder Vienna’s World Geodetic System zu bezeichnen wäre).
    Somit stellte die symbiotische und magnetische Verbindung von alldem keinen Zufall dar, sondern ein Muster. Ein Muster ohne Zweck. Wobei man sich die Frage stellen kann, wie der Zweck eines Musters überhaupt aussehen könnte, abgesehen vom ästhetischen Vergnügen, wie wir es von hübschen Tapeten kennen. Klar, Tapeten schützten nicht zuletzt die Wand, aber dazu wiederum brauchen sie nicht besonders ausfallen. Muster verfügen über keine Bedeutung außer jener, hübsch oder häßlich zu sein. Doch eine solche Einsicht halten die Menschen nicht aus, weshalb sie entweder von Zufällen sprechen oder Interpretationen formulieren, die das Muster als Konzept, als Schicksal, als göttliche Fügung oder als teuflische Verschwörung erscheinen lassen.
    Red war sich da noch nicht so ganz sicher, wofür er sich entscheiden sollte, als er jetzt das Espresso mit den Namen Liverpool betrat, ein recht sauberes Lokal im Stil eines Pubs, also eher dunkel und kaminartig und mit einem Überangebot an schmükkenden Accessoires eingerichtet. Red stellte sich an die Theke und bat eine ältere, sehr fest gebaute Dame um ein kleines Bier.
    »Sie sind doch nicht wirklich gekommen«, äußerte die Wirtin, »um ein kleines Bier zu bestellen.« Folgerichtig machte sie auch keine Anstalten, ein solches einzuschenken.
    »Ach was!?« staunte Red. »Und warum bin ich gekommen?«
    »Na, wegen dem Buchladen.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Oder habe ich ein Buch im Gesicht?«
    »Meine Güte, Sie

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