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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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worden und verkörperte in vollendeter Weise den für das rote Wien typischen Stil wehrhafter Schönheit. Vor allem aber das geschickte Verbergen des eigentlichen Gebäudezwecks. Denn kein Uneingeweihter wäre je auf die Idee gekommen, daß sich in dieser aufragenden Anlage ein Hallenbad befindet, so, als habe man das Becken senkrecht hochgestellt. Auch die weithin sichtbare Uhr oben am Turm schien sehr viel weniger für eine aus Bade- und Schließzeiten strukturierte Folge von Stunden zu stehen, sondern vielmehr etwas Epochales im Sinn zu haben. Die Veränderung der Zeit an sich, nicht bloß in einem gesellschaftspolitischen Sinn, nein, in einem grundlegenden. Ja, diese Uhr mochte gut und gern wesentlicher Teil einer Zeitmaschine sein, mit welcher die Wiener einst durch den Raum gereist waren, bevor sie sich damit begnügt hatten, aus der ganzen Apparatur ein Hallenbad zu machen.
    Dies alles in keiner Weise ahnend, das Gebäude eher für ein Grandhotel inmitten eines Arbeiterbezirks haltend, bewegte sich Red auf dem leicht ansteigenden Platz noch ein Stück nach Süden, dorthin, wo die Straßenbahn abfuhr, die ihn gemäß seines Stadtplans in die Nähe jener Straße bringen würde, in welcher … nun, was denn? Eine Insel lag? Eine norwegische dazu.
    Wie auch immer, die Straßenbahn kam und mit ihr fuhr Red – auch wenn man sich noch immer recht weit innerhalb der Straßengrenze befand – aus der Stadt hinaus, zuerst den ansteigenden Hügel hoch und dann wieder abwärts, vorbei an einer sich öffnenden, mit einem Mal den Blick auf den Himmel freigebenden Landschaft, in welcher Architektur und Verkehr die gewohnte Dominanz eingebüßt hatten. Sie schienen an dieser Stelle eher zu Gast zu sein.
    Red fühlte sich wie erlöst, seitdem die Straßenbahn durch dieses Gebiet abwechselnd freier und verbauter Flächen glitt. So etwas wie frische Luft wehte durch den nur spärlich besetzten Wagen, jetzt, wo die meisten Menschen natürlich in die andere Richtung unterwegs waren. Auch das Licht wirkte angenehmer, weniger stechend, während es drinnen in der City so gewesen war, als bewege man sich durch ein nach oben offenes Spiegelkabinett. Hier draußen aber fehlten die Spiegel, es blieb sozusagen nur das Nach-oben-hin-Offene übrig. Es regnete Licht, jedoch auf eine sanfte und agrarische Weise, während um den Stephansplatz herum der Eindruck verbrennender und verbrannter Erde entstanden war.
    Als Red ausstieg, war er für einen Moment die einzige Person in einer von Häusern locker bepflanzten Umgebung. Nachdem das Poltern der davonfahrenden Straßenbahn verklungen war, waren da nur noch die Stimmen einer Vogelwelt, die in den Bäumen und Sträuchern dieser von jeglichem Schnickschnack unbeleckten Wohnhausanlage nistete. Erst bei genauem Hinhören mischte sich das Geplapper aus einem Fernsehgerät in das vielstimmige Sommergespräch der Gefiederten, allerdings ohne zu stören. Alles an diesem Ort schien Teil der Natur. Gerade dadurch, daß hier nichts besonders originell und absichtsvoll wirkte. Ja, was fast völlig fehlte, war die Kunst, die ja nun eindeutig nicht von der Natur kommt, vielleicht vom Können, vielleicht vom Geld, vielleicht von den Musen und den Museumsdirektoren, vielleicht von den Göttern, jedenfalls nicht von der Natur. Und so schön die Kunst sein mag, eben auch die in Wien, die Kirchen, die Gräber, die Monumente, das unentwegt Filmreife, so schön war es auch, einmal davon verschont zu bleiben, ohne darum aber auf einen einsamen Berg oder in eine ungesicherte Höhle steigen zu müssen. Es genügte eine Insel mitten im südatlantischen Ozean.
    Nach einem Blick auf seine Karte, bewegte sich Red entlang einer dieser kunstlos beschaulichen Straßen auf sein Ziel zu. Und als er nun die Ecke erreichte, die ihm der olivgrüne Musikprofessor aufgeschrieben hatte, war er kaum verwundert, auch an dieser Stelle auf nichts wirklich Spektakuläres zu stoßen. Denn was sollte denn spektakulär sein an einem Stück Land im weiten Meer, das praktisch nichts anderes darstellte als einen seit langem ausgerauchten, von einem Gletscher zuckergußartig eingehüllten Vulkan?
    Freilich, so entlegen dieser Flecken auch sein mochte, man war noch immer in der Stadt Wien, deren südatlantischer Peripherie. Zwischen den einfachen, zweistöckigen, gleichförmigen und von schmalen Wiesenstreifen umrandeten Wohnhäusern, deren Balkone vor allem dem Nutzen rasch trocknender Wäsche dienten, befand sich ein neuerer Komplex, der

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