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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Haltung dieses zwergenhaften Menschen widersprach dem eines Geschundenen. Er stand überaus gerade, ja herrschaftlich in seinen mächtigen, mit durchgehenden, riesenhaften Blockabsätzen versehenen schwarzen Sportschuhen. Welche freilich nicht dazu dienten, den Mann sinnloserweise ein paar Zentimeter größer zu machen, sondern dazu, ihm Halt zu geben. Er steckte in ihnen wie in einem Fundament aus Beton. Was offensichtlich nötig war, damit er nicht umfiel. Gleichzeitig hatte er etwas Unverwundbares an sich. Wie auch wollte man so jemand noch verletzen?
    Seine Stimme verblüffte. Sie war bei weitem nicht so dünn und schmächtig und knochig wie seine Gestalt, allerdings auch nicht so fest, daß man irgendeine Art von Trick oder Fälschung hätte vermuten müssen. Nein, es war einfach die sonore Stimme eines älteren Mannes. Mit dieser Stimme hätte er im Radio sprechen können, nicht ein Hörspiel, sondern die Nachrichten, nicht das scheinbar Dubiose, sondern das scheinbar Seriöse.
    Seriös war dieser Mann ganz sicher. Das war Red sofort klar. Er reichte ihm die Hand und stellte sich vor: »Mein Name ist Red.«
    »Ach ja«, antwortete der Buchhändler. »Ich habe Sie erwartet. Die Lieferung ist oben.«
    Nachdem Red die Hand des anderen vorsichtig gedrückt und gleich wieder losgelassen hatte – erneut unter dem Eindruck eines kleinen, gefiederten, mit hohlen Knochen ausgestatteten, für den Flug, aber eben nicht für das Gedrücktwerden geschaffenen Wesens –, folgte er dem Mann, der sich mit einer Langsamkeit bewegte, die sich aus der beträchtlichen Schwere des Schuhwerks im Vergleich zum fast gewichtslosen Körper erklärte.
    Red fragte: »Ist Ihr Name Bouvet?«
    »Nein, so heißt nur der Laden.«
    »Wieso eigentlich?«
    »Sie haben doch die Koordinaten gelesen. Wie sonst hätte ich das Geschäft nennen sollen? Liverpool? So heißt doch schon das Café.«
    »Die Wirtin behauptet aber, der Buchhandel hätte vorher existiert.«
    »Mag sein. Jedenfalls paßt Liverpool besser zu ihr und Bouvet besser zu mir, oder?«
    Da hatte er eindeutig recht. Allerdings war es ihm dank dieser knappen Erläuterung gelungen, davon abzulenken, wie er selbst eigentlich hieß. Was angesichts des Umstands, daß Namen eine wesentliche Bedeutung bei der Bildung des vorliegenden Musters innehatten, wohl mit Absicht geschehen war. Denn es war kaum anzunehmen, daß dieser hohlknochige Mensch einen Namen trug, der im aktuellen Fall als »unmagnetisch« hätte bezeichnet werden müssen.
    (In der Tat war es so, daß der Buchhändler – und zwar in starker, wenn auch ungewollter Anlehnung an Nabokovs Romanhelden aus Lolita , den Literaturwissenschaftler Humbert Humbert – den Namen Wilhelm Wilhelm trug, was sich wiederum ganz ausgezeichnet in das bestehende Muster einfügen ließ, da nämlich das Zentrum der Bouvetinsel, der Krater des schon so lange erloschenen und nun mit Eis bedeckten Vulkans, nach Wilhelm II. als Wilhelmplatået benannt worden war.)
    Und eben diesen Namen verschwieg also der Buchhändler und führte Red stattdessen in den Ostteil des Ladens, hinein in jene Holzkonstruktion von der Art eines Baumhauses. Wenn es für den kleinen Mann schon schwer gewesen war, die paar Schritte zu gehen, war es natürlich noch um einiges mühevoller, die engen, hölzernen Stufen hochzusteigen. Aber er überwand die sichtbare Anstrengung mit großer Geduld, in Bergsteigermanier jeden Schritt durch eine kleine Pause unterstreichend, den langen Atem erzwingend, der zum Gipfel führt. Auf diese Weise gelangte man bis in die letzte, dritte Etage, die so knapp unterhalb eines ebenen Plafonds lag, daß Red in die Knie gehen und den Kopf zur Seite beugen mußte. Für den Buchhändler freilich ergab sich eine ideale Höhe.
    Zwischen all den Büchern und Globen stand ein Schreibtisch, darauf die übliche Ordnung wild geschichteter Papiere, aufgeschlagener Bände, diverser Schreibutensilien, dazu zwei Computerschirme, Tastaturen, Drucker, nicht zuletzt eins von diesen ganz neuen Handys, die im Verdacht stehen, an allem möglichen, nur nicht am Telefonieren interessiert zu sein. Kein Wunder darum, daß halb verborgen auch ein altes, hautfarben glänzendes Telefon mit Wählscheibe zu sehen war. Es ist nämlich mehr als ein Gerücht, daß gewisse Gespräche – Gespräche nämlich von Bedeutung – bis heute nur mit solchen Apparaten geführt werden können. Fast im Stile einer Geheimwissenschaft.
    An der gegenüberliegenden Wand, zwischen zwei

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