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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Erhebung vor ihnen auf: ein breiter, dunkler, von Pflanzen pelzartig überzogener Felsen, der sich gleich einer Mauerruine nach beiden Seiten ausdehnte und mit dem Wald, den Bäumen zu verschmelzen schien, wobei des Nebels wegen, in dem man stand, eine Menge Dinge einen verschmolzenen und verschmierten Eindruck machten. Nicht jedoch die typische Öffnung im Fels, der kleine, bogenförmige Tunneleingang, in den der Kanal hineinführte beziehungsweise herausdrang.
    »Das ist er«, sagte Benny.
    »Na, möglicherweise ist er das«, meinte Sehnaz, setzte sich auf einen Stein und schlug die Beine mit einer Heftigkeit übereinander, als knacke sie Schalentiere zwischen ihren Schenkeln.
    »Es kann nur der eine sein«, meinte jemand anders. Und da hatte er ganz sicher recht. Die Stelle stimmte und der Zustand stimmte. Auch stimmte, daß, wenn man in das Loch hineinschaute, das andere Ende verborgen blieb. Vielleicht wegen einer Biegung oder Gabelung, vielleicht wegen der beträchtlichen Länge. Und was sonst noch schuld daran sein konnte, daß in dieser Schwärze nicht einmal das Pünktchen eines Kirchenfensters auszumachen war.
    »Wie nennen wir den Tunnel?« fragte Erich, ein kleiner Kerl, der aber ungemein kräftig war und zwischen dessen Bildhauerhände niemand geraten wollte, der nicht aus Marmor war.
    Ja, das war eine gute Frage, denn ein solcher Name lag offiziell nicht vor, auch wenn man sich kaum vorstellen konnte, daß keiner der Einheimischen von dieser Levada wußte. Einer Levada, die ein paar durchs Dickicht stolpernde Touristen dank der ungefähren Anweisung einer alten Karte gefunden hatten. – Und wenn doch? Mitunter geschieht es, daß jemand nach Jahr und Tag fassungslos eine Narbe an seinem Körper entdeckt, eine eindeutig alte Narbe, aber beim besten Willen nicht sagen kann, wo und wann …
    Ein Name mußte her. – Der Name bannt das Unsagbare, macht es eben aussprechbar, erklärt es, auch wenn nur durch sich selbst, also den Namen. Immerhin! Für den Anfang, für jeden Anfang, ist das nicht schlecht.
    »Túnel d’Espada«, verlautbarte Palle Swedenborg. Er hatte bislang kaum gesprochen, verträumt gewirkt, gleichgültig gegen das tatsächliche Abenteuer. Jetzt aber schien er erwacht, amüsiert, ja ein wenig machte er den Eindruck, nicht im geringsten überrascht zu sein, daß exakt an dieser Stelle der Tunnel ins Blickfeld geraten war.
    »Und was heißt das? Espada?« fragte Sehnaz so harsch, als vermute sie hinter diesem Wort eine sexistische Anspielung.
    Nicht, daß Sehnaz eine Emanze war. Das war sie nur, wenn es sich anbot, einen unliebsamen Mann mittels Anschnauzens in die Ecke zu stellen und sich schämen zu lassen. Aber erstens war einer wie Swedenborg natürlich immun gegen das Indie-Ecke-gestellt-Werden und außerdem handelte es sich bei »Espada« um die Bezeichnung für einen Schwarzen Degenfisch. Swedenborg hatte ihn als Namensgeber darum ausgesucht, weil dieser sogenannte Makrelenartige ein körperliches Unverhältnis aufwies: seiner geringen Höhe stand eine bedeutende Länge gegenüber.
    Der dunkle, großzahnige Fisch wurde aus Tiefen von weit über tausend Metern hochgeholt. Doch einmal an Luft und Land gebracht, übernahm sein kupfernes Kleid rasch die namensgebende schwarze Färbung, er schien dann nicht nur tot zu sein, sondern auch beleidigt. Was man verstehen kann. Denn es ist sicher auch für einen Fisch nicht einerlei, wo und wie und von wem er getötet wird. Ob im direkten Kampf mit Gegnern, eingesponnen in das Wirken der Elemente oder aber als bedauernswertes Opfer eines hinterhältigen Auslegens von Netzen.
    Freilich war es vor allem die Körperform dieses Fisches, dieser gleichzeitig geduckte wie gestreckte Leib, diese Spaghettisierung eines Pyknikers, was Swedenborg dazu animiert hatte, den soeben entdeckten, möglicherweise von einer enormen Länge bestimmten Levada-Tunnel nach jenem beliebten Speisefisch zu benennen.
    Doch Sehnaz war unzufrieden. Sie bockte. Keinesfalls wollte sie in ein Loch einsteigen, dessen Ende man nicht sah und das ausgerechnet von Palle Swedenborg getauft worden war.
    »Mein Gott, jeder kann das Ding nennen, wie er will«, sagte Benny, fixierte seine Höhlenforscherlampe an der Stirn, schulterte seinen Rucksack und betrat das Objekt der Begierde. Die anderen folgten ihm, auch Cheng, auch Sehnaz, die sich aber sogleich beschwerte, viel zu großgewachsen für eine solche Anlage zu sein. Nun, sie waren alle keine Stollenwichtel, selbst Erich mußte

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