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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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verlassen und sich in die ungepflügte Wildnis zu wagen.
    (Selbst der, der einmal versucht hat, von den Wanderwegen des Wienerwalds hinein ins Dickicht zu wechseln, ins Unterholz, ins Reich der Wildschweine und Erdgeister, wird wissen, wie gewaltig die Natur sich eines solchen Eindringlings bemächtigt. Der Wald greift nach dem Menschen. Die Bäume, die eben noch friedlich den Rand säumten, stellen sich ihm trotzig in den Weg, damit die dornigen Sträucher und spitzen Äste besser die Beine des Wanderers zerkratzen können. Abgesehen von Mücken und Spinnweben, weichem Boden, in den man einsinkt, Schlamm, Schleim, Gerüchen wie aus einem verschimmelten Marmeladeglas, nicht zuletzt dem Gefühl, beobachtet zu werden. – Und was nun für den Wienerwald gilt, gilt natürlich erst recht für die Wälder der als Blumeninsel titulierten madeirischen Scholle.)
    Es war somit kein Vergnügen, querfeldein zu marschieren, ohne Machete, aber immerhin mit festem Schuhwerk und langärmeligen Regenjacken. Nicht, weil es regnete, aber wie gesagt, die Natur faßte nach den Menschen und da war es besser, ihr nicht die nackte Haut feilzubieten.
    »Weißt du denn, wohin du gehst?« rief Sehnaz von hinten an die Spitze der Gruppe, dort, wo Benny war. Benny und seine Karte aus dem frühen 19. Jahrhundert, dessen Verfasser – und das war nun wirklich die Höhe (Gott sei Dank, eine Höhe, von der nur Benny wußte) – niemals auf Madeira gewesen war, sondern seinen Bericht mittels der Berichte anderer Reisender verfaßt hatte. Und dabei in eine zeitgenössische Karte einen kurzen Levadaabschnitt eingezeichnet hatte, ohne allerdings die Quelle seiner Information preiszugeben. Was auch nicht viel genützt hätte: irgendein Name irgendeines früheren Abenteurers.
    Was Benny also äußerte, war Folgendes: »Wenn diese Levada existiert, dann werden wir sie auch finden.« Und dann sagte er etwas Merkwürdiges, ein russisches Sprichwort zitierend (das übrigens fast dreißig Jahre später Anthony Hopkins in dem Film »Fracture« von sich geben sollte): »Auch eine kaputte Uhr geht zweimal am Tag richtig.«
    Im Hopkins-Film bleibt das unwidersprochen, aber hier war kein Film, sondern die Wirklichkeit, die Wirklichkeit einer genervten, vom Gestrüpp traktierten persischen Prinzessin, die höhnisch fragte, was das denn bitte heißen solle. »Denkst du denn, Bennylein, wir haben soviel Glück, gerade dann auf deine demolierte Uhr zu sehen, wenn die Zeiger ausnahmsweise richtig stehen?«
    Nun, Benny sagte kein Wort. Aber scheinbar war es genau das, was er dachte. Nur, daß das Wort »Glück« nicht stimmte. Eher handelte es sich um Bestimmung. Und als Benny nach einer halben Stunde beschwerlichsten Fußmarsches sich zwischen einer Gruppe legionärsartig aufgereihter Palmen hindurchzwängte, da tat sich vor ihm der Anblick eines friedlich in seinem steinernen Bett dahinplätschernden Rinnsals auf.
    Es bestand absolut kein Hinweis darauf, daß hier die üblichen deutschen Studienräte hin- und hermarschierten. Der Weg war zugewachsen, kaum erkennbar. Die steinerne Einfassung des Kanals grün und braun von Moos und Algen. Im Wasser wogen lange Pflanzen wie in einem natürlichen Bach. Fehlten nur noch Fische.
    »Fetzig! Wir haben’s geschafft!« rief Benny, als hätte er soeben einen alten Tempel entdeckt, während ja nichts anderes zu sehen war, als eine offensichtlich von niemand mehr gepflegte Levada, die dennoch funktionierte, wohin auch immer ihr Wasser strömte. Andererseits aber schien die Stelle mit jener auf der Karte übereinzustimmen, während in den aktuellen Reiseführern eine diesbezügliche Markierung völlig fehlte.
    Blieb die Frage, wenn es zu dieser Levada tatsächlich einen Tunnel gab, in welcher Richtung er lag.
    Man entschloß sich, die Levada weiter nach oben zu steigen, beziehungsweise gegen die Flußrichtung, da der Weg beinahe eben verlief. Mitunter aber war das Gestrüpp derart dicht, daß man in die Wasserrinne steigen mußte, um vorwärts zu kommen. Zudem wurde es, mitten am Tag, immer dunkler. Die Gruppe geriet in einen feinen Nebel, als wäre die Luft eine abertausendfach angestochene Milchpackung. Das war hier häufig der Fall, daß die niedrig stehenden Wolken in den oberen Regionen hängen blieben. Allerdings kühlte es nur wenig ab.
    »Und wenn wir falsch gehen?« fragte Cheng.
    Aber sie gingen nicht falsch. So plötzlich, wie man auf diese vom Urwald halb verschluckte Levada gestoßen war, tauchte nun auch eine

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