Batmans Schoenheit
besuchte man den berühmten Tropischen Garten von Monte Palace und verließ sodann den Ort in nördlicher Richtung, wo man auch rasch an den beschilderten Einstieg einer Levada geriet.
Es dauerte allerdings noch eine ganze Weile, bis die Wanderer in vollkommen unbewohntes Gebiet gelangten und die schmale Wasserrinne nicht immer wieder mal entschwand, auftauchte, entschwand, sondern sich entlang einer felsiger werdenden Landschaft zügig und ungebrochen sichtbar sowie von einem ausgetretenen Pfad begleitet dahinschlängelte.
Als die Gruppe das erste Mal einen Tunnel erreichte – während das Gelände zu einer Seite steil nach unten wies und zur anderen steil nach oben –, waren alle gebührend beeindruckt, wie niedrig und schmal dieser Durchstoß ausfiel. Das war nämlich für Österreicher wie für Deutsche ziemlich ungewöhnlich: ein derart bescheidenes Auftreten gegenüber der Natur, dieser Verzicht auf große Löcher, weil kleine ausreichten. Zumindest, um sie in gebückter Haltung zu durchschreiten. Klaustrophobie war natürlich ein anderes Thema. Nun, der Tunnel war keine fünfzig Meter lang, so daß man die bogenförmige Öffnung auf der anderen Seite, die gleich einem einzigen weißen Kirchenfenster im Dunkel schwebte, gut erkennen konnte. Auch wurde es bei einer solch moderaten Entfernung im Inneren des Stollens nie vollkommen schwarz. Dennoch brachten einige der Freunde ihre Stirnlampen schon jetzt zum Einsatz. Der Respekt war beträchtlich, so nahe stand der Fels, ja, man meinte den Stein zu riechen, gewissermaßen sein Fleisch, sein Blut, die Millionen Jahre, die in ihm steckten.
»Schon unheimlich«, sagte einer aus der Gruppe, als die Mitte erreicht war und alle auf die Geräusche des Wassers horchten, das in seiner Rinne zur Südküste floß.
Man blieb nicht allzu lange in dieser Mitte. Jeder hatte so seine Gedanken. Wie es etwa wäre, würde jetzt ein Erdbeben die Insel erschüttern. Nicht, daß auch nur einer über die Tektonik dieser Landmasse wirklich Bescheid wußte. Diese Leute waren Landschaftsplaner, keine Strukturgeologen oder Erdbebenforscher. Auch keine Meteorologen, die beurteilen konnten, ob es möglich war, daß im Zuge von Gewittern und starken Regengüssen es zu einer Überflutung der Tunnels und zu einer echten Bedrohung kommen konnte.
Nun, sie verharrten eine kurze Weile in Gedanken an mögliche Katastrophen und setzten dann ihren Weg fort, mit unausgesprochener Erleichterung sich dem stetig wachsenden Kirchenfenster am anderen Ende nähernd und endlich befreit aus der Röhre tretend. Draußen stand noch immer die Welt, schöner denn je, und offerierte einen Blick auf das zentrale Bergland. Aus dem Fels ragten mehrere Bäume – verbogen, sichelförmig, knorrig.
Die Wanderer setzten sich an die Kante des an dieser Stelle betonierten Weges, der den Abhang begrenzte. Man öffnete eine Flasche Wein, schenkte ein, war gutgelaunt wie nach einer Umrundung des Planeten. »Unser erstes Tunell«, jubelte einer. Cheng aber schnaubte verächtlich, als wollte er sagen: In der Regel ertrinken vor allem die, die schwimmen können.
Gleich hinter der nächsten Biegung führte die Levada vom Felsen weg und drang in ein Waldstück, in dem das Gewächs extrem dicht stand: Baumheide, Holunder, Stechpalmen, Heidelbeersträucher, dazu das Pfeifen der Vögel, sehr dschungelig, sehr feucht. Doch der Weg entlang der Levada war großzügig befreit vom Gedeihen der Flora. Es regnete Licht, das sich an den Baumkronen zerschnitten hatte und nun konfettiartig zu Boden fiel oder im Blätterwerk schaukelte.
Eins war klar, daß man diese Levada irgendwann würde verlassen müssen, da es sich ja um einen absolut bekannten und gepflegten Pfad handelte, der sicher keine Überraschungen bot, sondern genau dort endete, wo er laut Plan auch enden sollte. Und der zudem vom Hiergewesensein vieler Touristen und Einheimischer zeugte, die freilich nicht ihre Knochen, sondern ihre Plastikflaschen zurückgelassen hatten.
Es war nun Chengs Freund, Benny, der die Karte ausgebreitet in Händen hielt, die er aus besagtem Reiseführer des 19. Jahrhunderts herauskopiert hatte und auf der die namenlose Levada eingezeichnet war. Beziehungsweise bloß ein Stück von ihr, als würde sie allein als Fragment bestehen. Zu dem einzigen Zweck, mittels eines enormen Tunnels durch eine Erhebung zu führen, die einen Teil dieses Waldes bildete. Wenn diese Erhebung wirklich existierte.
Es war nun also nötig, die offizielle Route zu
Weitere Kostenlose Bücher