Batmans Schoenheit
nachlässig, barfüßig trotz Schuhwerk. Sie setzte sich, nahm Kaffee, blickte in den Himmel, hinunter auf die Stadt, schmierte Marmelade auf ein Brot und erklärte, daß Palle ihr gesagt habe, er würde gerne dabei sein, wenn man sich auf die Suche nach jenem ominösen Levadatunnel begab.
»Palle also«, äußerte Sehnaz mit spöttischem Ton. Nun, was hatte sie erwartet?
Eva sagte nichts. Wozu auch. Worüber die Jungs froh waren, sie verspürten nicht die geringste Lust, sich anhören zu müssen, was für ein toller Kerl Mr. Diezwei sei. Daß selbiger nun freilich auf den Ausflug mitkommen wollte, trübte die Stimmung beträchtlich.
Darum meinte Erich: »Ich glaube, das ist keine gute Idee.«
»Ich glaube, es ist eine ganz großartige Idee«, erwiderte Sehnaz. In ihren Augen spiegelte sich etwas, das entfernt an eine Piratenflagge erinnerte. Offensichtlich befand sie sich auf dem Kriegspfad, nicht aber, um Eva anzugreifen. Eva war keine Gegnerin. Palle Swedenborg war es.
Jedenfalls hatten die vier Jungs jetzt nichts mehr mitzureden. Eva ging zum Telefon, rief den Mann, mit dem sie die Nacht verbracht hatte, im Reid’s an und teilte ihm mit, wo man sich treffen wolle.
Zur gleichen Zeit gesundete unten im Garten ein Schwein namens Salty Dog und schien glücklich mit sich und der Natur und einem Napf voll milchgetränktem alten Brot.
Dreizehntes Bild:
Menschen im Fisch
»Ich hatte nie in meinem Leben je ein Tier«, sagte Red, als Cheng plötzlich aus seiner Erzählung herausgefallen und in eine Nachdenklichkeit hineingefallen war.
Cheng sah wieder hoch und erklärte: »Das ist eine Frage des Typus. Manche Menschen ziehen Tiere an. Oder sagen wir, die Tiere finden manche Menschen anziehend. Sie stellen diesen Menschen Fallen. Ein bestimmter Mensch gerät hinein und Jahre später heißt es dann, was für ein unglaublicher Tierliebhaber der gewesen sei.«
»Na, aber Salty Dog haben Sie sich ja schon selbst ausgesucht.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Cheng. »Man kann sich das so wenig aussuchen wie man sich das Kind aussuchen kann, das man zeugt.«
»Aber doch wenigstens die Frau, mit der man das Kind zeugt«, erwiderte Red.
»Meinen Sie?« fragte Cheng, der ja mit einer Frau zusammen war, von der er behauptete, sie gar nicht zu verdienen. Das war der springende Punkt: Die einen verdienten ihr Glück nicht, die anderen ihr Unglück nicht. Der Wert des einzelnen Menschen ergab sich somit aus der Art und Weise, wie er das Unverdiente ertrug.
Doch Red dachte anders darüber. Sagte aber nichts, sondern zuckte mit der Schulter und zündete sich mit dem Schwung, den dieses Zucken verlieh, eine Zigarette an. Dann bat er Cheng, er möge weitererzählen, was auf Madeira geschehen war.
Cheng schloß seine Augen. Die Farben kamen zurück, die Madeirafarben.
Kurz vor elf standen alle sieben Personen auf der breiten Treppe der Nossa Senhora do Monte und sahen zu dem Kirchengebäude hoch, das vor dem Hintergrund des blauen Himmels an eine kolorierte Fotografie erinnerte.
Man sollte sicher erwähnen, daß sich in einer Seitenkapelle Unserer lieben Frau von Monte die Grabstätte des letzten österreichischen Kaisers befindet, jenes absurderweise seliggesprochenen Karl I., welcher seinerseits einen Seligen benötigt hätte, um eine Wunderheilung erbitten zu können. Was leider nicht geschehen war, weshalb er vierunddreißigjährig in seinem Exil auf Madeira verstorben war und darum also in dieser hochgelegenen Kirche seine letzte Ruhestätte gefunden hatte. Allerdings nicht ganz, wenn man den leichenfleddernden Umstand bedenkt, daß 1971 sein Herz andernorts beigesetzt worden war, nämlich in der Schweiz, im Kloster Muri, wo aber immerhin auch das Herz der letzten Kaiserin liegt und somit wenigstens die beiden Herzen im Tode vereint wären.
Eingedenk des Wahnsinns des so vollkommen unselig dastehenden Habsburgischen Reiches, dessen letzter, von sozialem Reformwillen wie vom blasphemischen Gedanken des Gottesgnadentums geprägter Repräsentant herzlos an dieser Stelle ruhte, wirkten dieser Ort und diese Kirche wunderbar undramatisch. Als endige auch das Fürchterlichste in einer kleinen touristischen Attraktion. – Ganz zum Schluß wird die Welt nichts anderes sein als ein paar Gipsabdrucke, die ein Außerirdischer einem anderen Außerirdischen schenkt.
Nachdem die Gruppe im Ort herumgeschlendert war und die obligaten Fotos geschossen hatte (nicht vergessen, 1980 , noch gab es richtige Fotoapparate),
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