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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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die Augen, oder er tut so, als verneige er sich vor ihr
und streife mit dem Hut, den er nie besessen hat, über den Boden. Ach, seine
rheumatische Dziunia! ein Leckerbisschen ist sie und still wie ein Mäuschen,
und wie sie ihn manchmal um den kleinen Finger wickelt, dass Stefan schier
durchdreht vor Liebe. Er merkt gar nicht, wenn er etwas macht, wozu er keine
Lust hatte, und obendrein noch einmal so viel verspricht, gegen Zärtlichkeiten
auf Kredit, der schnell aufgebraucht ist, sodass er ein weiteres Darlehen
aufnehmen muss. Sie bohrt sich mit dem Popo auf seine Knie, kocht ihm Klößchen
in Sauce, oder sie beschert ihm stumme Tage, knallt mit den Tellern, zieht
dabei eine Schippe, als hätte er ihr Gottweißwas getan. Na, wie ist es,
Dziunia, macht er sich dann an sie heran, wie ist das mit dem Pulli im
Kaufhaus, wo du gesagt hast, dass du den gern haben würdest? Und sie darauf:
Was für ein Pulli, ich hab diesen Pulli schon vergessen, als hätte sie nicht
eben noch gestöhnt, wie kuschelweich und wie rosa, und sie würdigt Stefan nicht
mal eines Blickes, als er mit innigen Worten vorschlägt, dass sie sofort hingehen,
ihn anprobieren und kaufen können. Um Verzeihung zu erbitten, legt Stefan
seiner Frau Geld an alle möglichen lustigen Orte: unters Kopfkissen, in das
Etui fürs Gebetbuch, einmal hat er es sogar unter den Klodeckel geklebt. Sie
sollte sich nur wieder lächelnd, lachend mit dem Popo auf seine Knie bohren,
dafür hätte Stefan noch viel mehr gegeben als einen Pulli im staatlichen
Warenhaus.
    Für Dziunia hatte er schließlich
auch in Abendkursen im Bergwerkstechnikum das Abitur abgelegt. Seit der
Hochzeit hatte sie geseufzt, wie es so ihre Art war: Ach, wenn du doch dein
Abitur hättest, dann könnten wir leichter eine eigene Wohnung kriegen. Andere
haben schon was Eigenes, und wir - immer noch bei der Schwiegermutter in
Szczawienko. Willst du, dass ich hier sitze, bis ich Rost ansetze? Er büffelte
also diesen ganzen Scheiß von Onkel Konrad und den Leuchtturmwächtern, und weil
er ein gutes Gedächtnis hatte, klappten zwei von den Gedichtdeklamationen auch
wirklich gut. Einmal O Litauen, du
meine Heimat, das ging ihm ganz einfach in den Kopf, und das
andere war auch in Ordnung, das ging so: Großes Unrecht
ist im Vaterland noch ungesühnt, das kann auch fremde Hand nicht tilgen. Das gefiel
Stefan übrigens am besten, ihm kamen sogar die Tränen an der Stelle, wo etwas
aus Herz und Blut ausgetrunken wurde. Er schnitt auch ganz gut im polnischen
Aufsatz ab, denn das Blaue vom Himmel schwätzen, das konnte er, seit er Onkel
Franciszek erklären musste, dass nicht er den Markknochen in der Suppe
ausgesaugt hatte, obwohl man ja sah, dass der Knochen leer war. Er hatte gute
Dreien und Vieren in Russisch und war fortan überzeugt, dass er nicht nur
Deklamations-, sondern auch Sprachtalent hatte, und wenn er nur wollte, dann
würde er einfach so spraken und parlehvuh-franzäsen. Gelegentlich besann sich
Stefan auf dieses brachliegende Talent, dann sagte er: Weißt du was, Dziunia,
nach Neujahr, da schreib ich mich vielleicht am Kulturhaus ein. Irgendwann
fasste Stefan auch genug wodkagetränkten Mut und kaufte in der Buchhandlung
eine deutsche Grammatik für Fortgeschrittene. Eigentlich hatte er vorgehabt,
eine für Anfänger zu kaufen, aber dann verbot ihm der Stolz, vor der
aufgedonnerten Verkäuferin zuzugeben, dass ein Bursche in seinem Alter Anfänger
war. Eine deutsche Grammatik für Fortgeschrittene bitte, sagte er, die für
Anfänger hab ich schon durch; da hat diese Kuh ihn vielleicht angeguckt, man
sah gleich, dass er Eindruck machte. Sie hat es dann sogar ihrer Kollegin
weitergesagt: Gib dem Herrn eine deutsche Grammatik für Fortgeschrittene, denn
die für Anfänger hat der Herr schon durch. Er warf auch einen Blick in das
dicke hellblaue Buch, aber dann dachte er sich, dieses bröckchenweise Lernen
hätte ja keinen Sinn, im Sommer, wenn er Urlaub hatte, würde er das Ganze eins
zwei drei in einem Rutsch lernen. Nach der Ausgabe der Abiturzeugnisse betrank
Stefan sich in Gesellschaft der anderen Abiturienten im Sobieski-Park mit einer
Mixtur aus Selbstgebranntem und Quittenlikör. Der große, verwahrloste Park lag
auf einem kleinen Hügel, der sich mitten in Walbrzych erhob.
    Die verwilderten Pfade waren
übersät mit Bucheckern, aus denen man im Herbst die Kerne aß. Im Park hatte
sich eine Kolonie von Exhibitionisten etabliert, die sich wie graue feuchte
Pilze durch Sporen zu vermehren

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