Bator, Joanna
auf der hellen Bühne, das war eine Art Ehre, denn was
hat Grzebieluch ihn nachher umarmt und wie hat Waciak ihm auf die Schultern
geklopft! Es hätte auch noch schlimmer kommen können, sie hätten ihn in den
Stock legen können und dann mit dem Arschziemer drauf auf den nackten Hintern
oder ihm eine Bierbescheißung verpassen. Als sie Grzebieluch seinen
Kneipennamen gaben, konnte Stefan die Tränen der Rührung nicht zurückhalten.
Zeuge einer solchen Zeremonie sein zu dürfen! Und in leuchtender Zukunft vielleicht
selbst einmal einen Kneipennamen zu bekommen! Zuerst lasen sie Grzebieluchs
Lebenslauf vor, und zwar in so schönen und so gereimten Versen, das musste ein
Mensch von großem Talent geschrieben haben. Über einer Schüssel begossen sie
ihm dann den Kopf mit Bier, gut zwanzig Liter gingen dabei drauf, mindestens.
Die Schüssel mit den Kopfschuppen stellten sie beiseite, die war für die ganz
Durstigen, und mit der Bergmannsklinge ernannten sie Grzebieluch zum Stöpsel.
Stöpsel war vielleicht nicht der schönste Kneipenname, sie hatten schönere in
der Grube, wie zum Beispiel Flanca, Rympis oder Karminadel, aber Stefan hätte
auch gern so einen Namen gehabt, allein der Ehre wegen. Bis zum Schluss konnte
er sich nicht entscheiden, was das Interessanteste in der Kneipe gewesen war:
die Verleihung des Namens an den von ihm bewunderten Obersteiger Grzebieluch
oder der Auftritt von Icek Lapcycek Doctor Humoris Causa, der seine sogenannte
Arbeit vortrug, das ist ein sehr interessanter und spaßiger Teil der uralten
Tradition der Bierkneipe. Man hätte sich wirklich in die Hose machen können
vor Lachen, denn Icek Lapcycek, das war ein Jude. In so einem langen dunklen
Mantel wie Juden ihn tragen, mit Pejes am Kopf und einem jüdischen Hut oder
Zylinder, und er sprach so schnell und jiddelnd, wirklich so, als käme er
direkt aus so einem jüdischen Film, wenn sie davon doch mehr im Fernsehen
zeigen würden anstatt der langweiligen russischen oder blöden tschechischen
Filme. Herrschaften, verährte, gestatten Sie, ich mich farstelle ... so begann
Icek Lapcycek, und dann ging es weiter auf jüdisch, dass am Anfang war gewesen
die biblische Manne, Plasme und ... so ein Pampe, und da schon haben sich
heimlich getroffen mein Ururgroisvater mit mein Ururgroismutter ... Stefan
bedauerte, dass er zu dem Zeitpunkt schon ziemlich betrunken war und sich aus
Icek Lapcyceks Arbeit über Bergmannskrankheiten an nicht viel mehr erinnerte
als an den Fickibus kippele beziehungsweise die Vojgelkrankheit. In einer
Zickzack- und Schlangenlinie kehrte er von der Kneipe zurück, denn in ihm
blubberte der Alkohol, der sich gegen Ende so regelwidrig vermischt hatte,
dass sowohl die Kopfschuppensuppe von Grzebieluchs Kneipentaufe als auch der
Molotowcocktail bis auf den letzten Tropfen verschwunden war. Gegen Morgen
erreichte er die Siedlung auf Piaskowa Gora, und als er so dastand und auf das
dunkle, im Wolkendunst schwebende Haus blickte, überkam ihn der Wunsch, seiner
Dziunia, seiner Dziuneczka, mit anderen Taten seine Liebe zu zeigen, Taten, die
eines von der Kneipe zurückkehrenden Bergknappen würdiger waren, doch er fand
nichts als ein paar verkümmerte Astern, die aus dem Betonsarkophag vor seinem
Aufgang staken. Mit diesem Strauß in der Hand klingelte er an der Tür im neunten
Stock, hinter der Jadzias Zorn wachsam wie ein Hund auf der Lauer lag. Anstatt
zu lachen, als er ihr - unter dem Siegel der Verschwiegenheit, denn die Kneipe
ist nichts für Weiber - von Iceks Lapcyceks Witzen erzählte, sagte sie bloß,
wenn Kerle zusammen sind, fällt ihnen nichts Besseres ein, als sich den Schwanz
zu begießen, sie hätten bloß Schweinereien im Kopf.
Seit der ersten Kneipe bohrte sich
Stefan mit solchem Eifer in die Kohlenwand, dass ihn die Kollegen von der
Schicht an den klotzigen Bergmannsstiefeln aus dem entstandenen Loch ziehen
mussten, mehr als einmal im allerletzten Moment. Zweimal hintereinander war er
Brigadeleiter, beim dritten Mal, das, wie er glaubte, bevorstand, würde ihn
die in solchen Fällen übliche Belohnung erwarten. Stefan konnte sich nicht
entscheiden, ob er lieber einen Zuschuss zur Galauniform wollte oder einen
siebentägigen Urlaub in Warschau, wie ihn nur Brigadeführer mit untadeligem
Ruf bekamen. Sag, Dziunia, kannst du dir deinen Stefan in Warschau vorstellen?
Das war doch rheumatisch! Stefan wurde ganz kribblig, und Jadzia zog ein
Gesicht. Ach geh! Aber wie sollte er nicht aufgeregt sein, wo doch
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