BattleTech 31: Im Herzen des Chaos
eine Bedrohung aus, so schwarz wie sein Gewand – intime Bedrohung, persönliche Bedrohung, nicht die roboterhafte Bedrohung eines zehn Meter hohen BattleMechs. Cassie fürchtete die monströsen Maschinen, aber sie konnte sie früher sehen als die Mechs sie, und das bot einen gewissen Schutz.
Ninyu Kerai konnte sie jedoch überall sehen, wo immer sie auch hinging, davon war sie überzeugt.
Er war kein hübscher Mann, nicht wie ihr Begleiter. Sein Gesicht war häßlich, voller Narben und Zorn, aber es wies eine zerklüftete, unerbittliche Stärke auf, die eine ganz eigene Anziehungskraft ausstrahlte. Es war die Art Häßlichkeit, die Männer einschüchterte und Frauen zum Schmelzen brachte.
Cassie war dafür natürlich nicht anfällig. Sie schätzte ihn nur ab, als suchte sie Spuren, als sei sie auf einer Kundschaftermission. Er war früher ihr Feind gewesen, und obschon er jetzt Onkel Chandys Verbündeter war, konnte er morgen im Strudel der Draco-Politik genausogut wieder ein Feind sein. Es war für sie genauso wichtig, seine Stärken und Schwächen zu kennen wie die eines neuen BattleMechs.
Seine dunklen Augen begegneten kurz den ihren. Hitze und Kälte rangen in ihrem Körper miteinander. Furcht, sagte sie sich. Sonst nichts. Ihr Begleiter wirbelte davon.
Im Umgang mit Leuten hatte Ninyu Kerai Indrahar Schwierigkeiten. Sie zu töten war leicht.
Es war nicht immer so gewesen, dachte er, während er Fruchtsaft aus einem Kelch schlürfte. In seiner Jugend hatte er hervorragend mit Menschen umgehen können und war trotz seiner frühen Rekrutierung durch die ISA und seiner Ausbildung sowohl als MechKrieger als auch als Angehöriger von Einsatzkommandos lässig gewesen. In jenen Tagen war er ein Freund und Vertrauter des jungen Theodore Kurita gewesen, des zukünftigen Herrschers des DraconisKombinats, mit Witzen genauso schnell wie mit einer Waffe, den Arm so gern um eine Frau gelegt wie die Finger um den Griff einer Katana.
Aber es war etwas geschehen. Jetzt beobachtete er das glitzernde Jet-Set-Treiben mit einem Abscheu, den er hinter seinem gewöhnlichen zornig-unbeteiligten Gesichtsausdruck verbarg. Die Dienstjahre bei der Geheimpolizei des Kombinats hatten ihren Preis gefordert. Jugend und Lässigkeit waren ihm ausgetrieben worden, durch ständige Gefahr, durch Brutalität, durch das verborgene Wissen, daß er niemals auch nur hoffen durfte, den Mann wirklich zu ersetzen, an dessen Stelle er eines Tages treten sollte.
Doch sein Adoptivvater drängte ihn ständig, seine gesellschaftlichen Umgangsformen aufzufrischen.
»Der Drache kann es sich nicht leisten, daß du zum bloßen stumpfen Instrument, ja, nicht einmal zu einem scharfen Instrument verkommst, mein Sohn«, hielt ihm der alte Mann in dem elektrischen Rollstuhl vor, in dem er das letzte Jahrzehnt verbracht hatte, während sein noch immer lebender Körper um seinen rasiermesserscharfen Geist und seinen stählernen Willen herum verfiel. »Deine Aufgabe ist unendlich komplexer – und unendlich anstrengender. Du mußt flexibel bleiben, mußt die kleinsten Nuancen wahrnehmen.«
Einst hätte Ninyu ein so strahlendes Fest wie dieses genossen. Jetzt war es für ihn bedeutungslos, nur weißes Rauschen für Auge und Ohr. Aber er durfte nie vergessen, daß er der gehorsame Sohn Subhash Indrahars war, des Lächelnden. Indrahar, der zu den gefährlichsten und mächtigsten derzeit lebenden Männern gehörte, hatte diesen Spitznamen wegen des Charmes bekommen, mit dem er seine wahren Absichten verbarg. Es überraschte nicht, daß der Lächelnde es für wichtig hielt, wenn sein Erbe an solchen Anlässen teilnahm. Also stand Ninyu allein herum und ertrug die Feierlichkeiten. Schließlich ging es ihm um Pflicht und nicht um die Erfüllung seiner eigenen Wünsche.
Die Gaijin-Späherin, Cassiopeia Suthorn, tanzte an ihm vorbei und sah in der ungeschickten Umarmung ihres Begleiters klein und verletzlich aus. Ninyu Kerai wußte, daß das eine Illusion war. Sie hatte bei ihrer ersten Begegnung den Sieg über ihn davongetragen, war seit seiner Kindheit die einzige Person, die ihn in einer körperlichen Auseinandersetzung besiegt hatte. Nur wenige, die sich ihm entgegenstellten, hatten überhaupt überlebt. Zuerst hatte er gezürnt, gebrannt vor Scham, hatte danach gehungert, sie zu vernichten. vor Scham, hatte danach gehungert, sie zu vernichten. Politische Realitäten – jene verfluchten Zwänge, die Samurai vielleicht umgehen konnten, was für den Angehörigen eines
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