BattleTech 40: Die Jaeger
wie eine Rasiermesserklinge, und er bot immer noch eine aufgeschossene, beeindruckende Gestalt.
Morgan wußte, welches Bild die meisten Menschen von ihm hatten: das des zähen, kompetenten, aber gnädigen Kriegers. Er lachte innerlich, als der Gedanke durch seinen Kopf driftete. Wenn die wüßten, was ich morgens im Spiegel sehe.
Er hegte keine Illusionen von Unfehlbarkeit oder Unsterblichkeit, wußte, daß er für dieselben Fehler ebenso anfällig war wie jeder andere. Und er wußte, daß er, wenn er eine Fehlentscheidung traf, nicht selbst die Konsequenzen zu tragen hatte. Seine Fehler konnten andere das Leben kosten. Der Gedanke hätte ihn lähmen können, wäre er nicht von kleinauf dazu erzogen worden, Kämpfer in die Schlacht zu führen. Trotzdem hatte es Momente gegeben, in denen er sich am liebsten mit seiner Frau Kim zurückgezogen und den Rest seiner Tage als Ruheständler auf dem Familiengut auf New Syrtis verlebt und nur noch den Kindern beim Aufwachsen zugesehen hätte.
Wenn es dazu nicht gekommen war, dann nur, weil er es nicht fertigbrachte, Prinz Hanse Davion und später dessen Sohn Victor im Stich zu lassen, wenn sie ihn brauchten. Und in den letzten dreißig Jahren schienen solche Situationen immer wieder zu entstehen.
Colonel Edwin Amis und Demipräzentor Regis Grandi, der ComGuards-Kommandeur, trafen zusammen ein. Als Amis seinen Mech in den FortDefiance-Hangar gebracht hatte, war Morgan, der aus der Befehlszentrale den Funkverkehr beider Seiten abgehört hatte, die Veränderung in der Stimme des Söldnercolonels aufgefallen. In Amis’ Funkverkehr nach dem Ende der Schlacht erkannte er die Erschöpfung und Melancholie, die eine unerwartete Niederlage häufig mit sich brachte. In den fünfundvierzig Minuten, die nötig gewesen waren, die Mechs über die rund zwanzig Kilometer vom Manövergelände zur Hauptanlage des Lagers zu bringen, war Amis’ Depression verschwunden, und der Colonel hatte seine gewohnte Zuversicht wiedergefunden. Amis und Grandi diskutierten das Gefecht, als sie durch die Schiebetür des Besprechungszimmers traten.
»Colonel Amis«, begann Morgan ohne Vorwarnung. »Man hat mir gesagt, das 21. Einsatzregiment zähle zu den besten Regimentern der Freien Inneren Sphäre. Was ist dort draußen geschehen?« Er lächelte, um zu verhindern, daß der Söldner seine Frage als beleidigend mißverstand.
»Ich bin mir nicht sicher, Sir.« Amis schüttelte den Kopf, als wolle er die Bilder seines um ihn herum sterbenden Regiments vertreiben. »Ich habe schon früher gegen die Clans gekämpft, und Colonel Barclays Regiment hat auf Coventry gegen sie gefochten und ist ihnen nichts schuldig geblieben. Das 21. hätte die Guards auseinandernehmen müssen. Keine Beleidigung beabsichtigt.« Die letzte Bemerkung war an Demipräzentor Grandi gerichtet.
»Schon klar«, beruhigte dieser ihn. »So ungern ich es auch zugebe, ich hatte schwere Verluste erwartet. Ich bin selbst überrascht von unserem Erfolg.«
»Also, was ist geschehen? Weshalb hat sich keine der Einheiten, die wir gegen unsere FEIK-Clanner ins Feld geschickt haben, so bewährt, wie wir es von ihr erwartet hatten?« Morgan fixierte beide Kommandeure mit dem ruhigen Blick seiner grünen Augen.
Bevor einer der beiden reagieren konnte, mischte sich Paul Masters ein.
»Sir, ich habe möglicherweise eine Antwort. Wir führen diese Manöver jetzt seit zwei Wochen durch. Jedesmal haben wir eines unserer Regimenter angewiesen, die Rolle einer Clan-Einheit zu übernehmen. Dann geben wir einer anderen Einheit die Aufgabe, die ›Clanner‹ anzugreifen. Das Problem liegt nicht darin, daß wir die Clanner nicht besiegen könnten. Das Problem ist: Wir können die Clanner nicht besiegen, wenn sie Taktiken der Inneren Sphäre anwenden.«
Einen Augenblick lang sah Amis den Ritterkommandeur fragend an, dann machte sich Erkennen auf seinem Gesicht breit.
»Sprechen Sie weiter, Kolonel Masters«, forderte Morgan ihn auf.
»Es ist doch so: In jedem der Manöver haben wir von unseren FEIK-Clannern verlangt, eine vorgegebene Stellung zu verteidigen. Das macht durchaus Sinn, weil die echten Clanner in der Defensive sein werden, wenn die Operation startet. Aber das Problem ist, daß wir die FEIK-Mechs zwar visuell modifiziert und unsere Simulationsprogramme darauf eingestellt haben, die überlegene Reichweite und Feuerkraft ihrer Waffen zu berücksichtigen, aber wir haben vergessen, dem ›Roten Team‹ die Anweisung zu geben, sich strikt an die
Weitere Kostenlose Bücher