BattleTech 47: Die Spitze des Dolches
Kommandozentrale den Ausdruck erhalten, ihn bis jetzt aber nicht gelesen. Der Text war klar und knapp abgefasst, eine lobenswerte Anstrengung vonseiten des Flottenoffiziers, aber eine erschreckende Fehleinschätzung und Pflichtvergessenheit sprang Sun-Tzu geradezu an. Wäre die Elias Jung auf Posten über Milos geblieben, hätte sie einen zweiten Invasionsversuch abwehren oder weit früher die capellanische Heeresführung benachrichtigen können, wenn nicht sogar beides.
Die neutrale Maske des Kanzlers verhärtete sich.
»Zahn, schicken Sie eine Nachricht an Sascha Wan Li. Die Maskirovka soll Kong-sang-wei Tullio Kar festnehmen. Er hat sich grober Nachlässigkeit im Dienst an der Konföderation schuldig gemacht. Er ist des Verrats anzuklagen und hinzurichten.«
15
Touchstone-Raumhafen, Milos
Xin-Sheng-Kommunalität, Konföderation Capella
10. Februar 3062
Cheng Shao nahm die Hände von den Steuerknüppeln seines Amboss, zog die feuerfesten Handschuhe aus und wischte sich die schweißnassen Handflächen am groben ballistischen Nylonstoff der Kühlweste ab. Wenige hundert Meter entfernt lauerten die Sensoren eines niedrigen, vornüber gebeugten Wächter lautlos auf Eindringlinge am Nordrand des Einsatzgebiets. Abgesehen von seinem eigenem Mech und der mittelschweren Maschine Sao-wei Claus Basaras waren Shao nur noch vier Mechs geblieben. Ein Centurion älterer Bauart und eine Ballista gleichen Alters fungierten als seine Hauptstreitmacht. Die dritte Maschine, ein schneller, kleiner Rabe, eine Konstruktion aus der Zeit vor dem 4. Nachfolgekrieg, konnte den Gegner höchstens ärgern. Der letzte BattleMech seiner Einheit war ein von den BlackwindLanciers erbeuteter brandneuer Exterminator. Diese moderne Kampfmaschine steuerte ein anderes Mitglied der Todeskommandos.
Über diese anderthalb Lanzen gemischter Gewichtsklassen hinaus standen Shao nur eine Handvoll konventioneller Panzerfahrzeuge und ein kleiner Mob halb ausgebildeter Milizinfanteristen zur Verfügung, um die bestens ausgerüsteten, hervorragend trainierten und schlagkräftigen Feindeinheiten aufzuhalten, deren Angriff kurz bevorstand.
Die ihm noch verbliebenen Kundschafter hatten eine Truppe leichter BattleMechs entdeckt, die, unterstützt von ein paar Dutzend Infanteristen und leichten Schwebepanzern, Touchstone am südlichen Stadtrand umging. Shao kannte die Leichte Reiterei aus Geheimdienstberichten und entschied, dass die von Süden gegen den Raumhafen vorrückenden Einheiten nur die Aufgabe hatten, seine Kräfte zu binden. Die Leichte Reiterei war bekannt für ihre Bemühungen, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden, und würde vermutlich keine schwere Kampfeinheit ins Stadtgebiet in Marsch setzen. Also musste der Hauptschlag von Norden kommen.
Shao wischte sich noch einmal die Hände ab, zog die enganliegenden Handschuhe wieder an und wartete. Er wusste, dass es nicht mehr lange dauern konnte.
* * *
Von seinem Beobachtungspunkt im sicheren Cockpit des Herkules konnte Colonel Charles Antonescu kaum mehr sehen als die flachen, wogenden Bergzüge und den lichten Krüppelwald, der für die Leichte Eridani-Reiterei zu einem Symbol für Milos geworden waren. Aus dem grauen Winterhimmel sank Schneeregen und vervollständigte das trostlose Bild. Zum Glück war er nicht allein darauf angewiesen, was er auf dem Sichtschirm seines schweren BattleMechs erkennen konnte. Eine kleine computergenerierte Taktikanzeige verzeichnete die Position aller Kompanie-BefehlsMechs seiner Angriffsstreitmacht. Hätte er die Anzeige so eingestellt, dass sie alle Kampfmaschinen unter seinem Befehl zeigte, wäre sie von den winzigen blauen Symbolen der Mechs und Panzerfahrzeuge der ›Rappen‹ des 151. Leichten Reitereiregiments überflutet worden.
Anfänglich hatte er General Amis' Plan einer begrenzten Offensive gegen die Touchstone verteidigenden Capellaner angezweifelt.
»Es ist doch schwachsinnig, unsere Kräfte zurückzuhalten, General«, hatte er förmlich protestiert. »Sie wissen so gut wie ich, dass man bei einem Angriff nichts zurückhält, non? Warum wollen Sie nur mit den leichtesten Elementen der Rappen zuschlagen? Was spricht gegen einen schnellen, vernichtenden Schlag?«
»Charles«, hatte Amis gefragt. »Erinnerst du dich an Lutera, die Hauptstadt Dianas? Erinnerst du dich, wie sie aussah, als wir fertig waren? Ich habe mir selbst das Versprechen abgenommen, nie wieder Teil einer derartigen Vernichtung von Wohngebieten zu werden, wenn es sich
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