BattleTech 48: Truegerische Siege
Kooperativen, die sich als Herausforderer für die etablierten Mechställe der Spielwelt sehen, haben sich in Schlesiens gutbetuchtem oberem Ostend ein eigenes kleines Territorium aufgebaut. Berichten zufolge haben sie ein Abkommen mit den Schwarzen Löwen in Montenegro abgeschlossen, bei dem es sich mehr oder weniger um einen Nichtangriffspakt handelt, und so zumindest einen Teil der SchlesienMontenegro-Grenze untereinander gesichert. Und im Flussuferdistrikt haben sich Plündereien in eine bewaffnete Besatzung verwandelt. Nachdem es den heimlichen Davionisten nicht gelungen war, die Herrschaft zu übernehmen, strömten Massen krimineller Elemente aus dem Labyrinth Cathays über die Grenze, um sich ihren Teil der Beute zu sichern. Der Widerstand ist so heftig, dass die Polizei das Gebiet inzwischen aufgegeben hat und ihre Anstrengungen anderweitig konzentriert. Aber nicht alle haben aufgegeben. Jerry Stroud von den Skye-Tigern gab heute in einer Presseerklärung, bei der er allem Anschein nach sowohl für seinen als auch für den Lynch-Stall sprach, das Versprechen, die Aufstände niederzuschlagen und den Sektor wieder unter Kontrolle zu bringen. Victor Vandergriff, der ebenfalls unter beiden Wappen kämpft, hat zahlreiche Vorstöße in das kriegsversehrte Stadtgebiet unternommen und beansprucht bisher den Abschuss von zwei AbtrünnigenMechs und einem Sternenlicht-›Sternenschein‹, der versuchte, die Flussufer-Besetzer zu verteidigen. Gegen die Davionisten bewies Vandergriff dasselbe wilde Kampftalent, das ihn so lange in den Top 20 gehalten hat. Im Anschluss sehen Sie von einem unserer Kameraleute im Feld übermittelte Bilder dieses Kampfes.«
Julian stockte für den Bruchteil einer Sekunde, als der Teleprompter ihn erinnerte, den Kampf mit ausführlicheren Beschreibungen von Vandergriffs Verwegenheit anzukündigen. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass dieses Mechduell die zusätzliche Einleitung verdiente. Aber in seinem Hinterkopf nagte das Gefühl, dass Vandergriff trotz allem keinen übermäßigen Einsatz wert war. Julian hatte es nicht nötig, seinen Erfolg an die Glückssträhne eines bestimmten MechKriegers zu koppeln. Was die Zuschauer wollten, was zu wollen er ihnen beibringen musste, war mehr von Nero selbst verlangt, gleichgültig, welcher Kämpfer gerade Schlagzeilen machte. »Soviel für jetzt von den aktuellen Ereignissen«, leitete er zu seiner traditionellen Verabschiedung über. »Ich melde mich zur vollen Stunde wieder. Das ist ein Versprechen von Julian Nero. Dem Mann mit dem Durchblick.«
»Und aus«, rief jemand aus dem Off, als auf dem Bildschirm die Aufzeichnung des Aufstands und die Kommentare der Reporter vor Ort erschienen. Das Studio verwandelte sich schnell in einen Hexenkessel, als Techniker und Hilfspersonal eilig alles für die nächste Livesendung vorbereiteten. Aber niemand scheuchte Julian Nero von seinem Platz.
Das wagte niemand.
Julian reckte sich nach hinten, dehnte die müden Muskeln und löste eine Verkrampfung in seinem Nacken. Dann griff er in die Jacke und zog einen gefalteten Brief heraus. Er war fünf Minuten vor der Sendung von einem Privatboten abgegeben worden, einer Frau, der es anscheinend gelungen war, die Sicherheitskräfte des Studios mit ruhiger Kompetenz auszutricksen. Er hatte instinktiv erkannt, dass sie ein gutes Reportagethema abgeben würde, wie auch immer ihre Geschichte aussah. Er hatte sich seinen Ruf für ein unfehlbares Gespür dadurch aufgebaut, dass er seinen Instinkten gefolgt war... und durch eine lange Serie sibyllinischer Vorhersagen, die ihm gestatteten, einen Erfolg für sich zu beanspruchen, gleichgültig, wie ein bestimmtes Duell schließlich ausging. Aber etwas in ihren gelbgrünen Katzenaugen hatte ihn davon abgehalten, ihr ein Interview vorzuschlagen. Stattdessen hatte er die Nachricht nur entgegengenommern und sie dreimal gelesen, nachdem er das Verigrafsiegel aufgebrochen hatte. Einmal hastig, dann noch zweimal sorgfältig. Es war eine Einladung zu einem privaten Treffen hochrangiger Journalisten aus ganz Solaris City.
Eine Einladung und das Angebot sicheren Geleits zum Gut Drew Hasek-Davions.
Er klopfte mit dem gefalteten Brief auf seine offene Hand, als könnte er seine Bedeutung irgendwie abwiegen. Was hatte Hasek-Davion vor? Immer wenn Julian gerade glaubte, den Stallbesitzer einer bestimmten Gruppe zuordnen zu können oder in einem bestimmten Punkt durchschaut zu haben, wechselte er die Position. Er war ein Chamäleon
Weitere Kostenlose Bücher