BattleTech 49: Gezeiten der Macht
nachdenklich.
Omi nickte. »Ein Stein.« Ihre Augen wurden schmal, als wäre sie sich unsicher, ob Victor die Bedeutung tatsächlich nicht verstand. Aber dann konnte er das Grinsen nicht länger zurückhalten, das schon an seinen Mundwinkeln zupfte.
»Du!«, stieß sie mit gespielter Empörung aus. »Du hast zu viel Zeit mit meinem Bruder Minoru verbracht, um seine Bedeutung nicht zu erkennen. Ich habe ihn auf dem Tharkad gefunden. Er hat nach dir gerufen. Ich fand, er sei eine angemessene Erinnerung an deine Annahme des Bushido.«
Sie hatte den Stein nach ihm rufen hören? Jetzt war es Victor, der sich nicht sicher war, ob sie es ernst meinte. »Ich komme mir ziemlich töricht vor, Omi-chan, die Auslegung deiner eigenen Sitten korrigieren zu wollen, aber ist Bushido nicht ein Weg, und kein Ziel?«
»Eine Erinnerung an deine Reise den Weg entlang«, erwiderte sie mit einem kaum hörbarem Seufzer, der zeigte, dass sie die ermüdenden Fragen detailbesessener Männer nur zu gewohnt war. Sie nickte zum Kredenztisch und darauf stehenden Schwertständer hinüber. »Mein Vater tat das Richtige, als er dir die Schwerter gab und dich zum Samurai machte.«
Victor sah sich zu seinem Katana und Wakizashi auf dem schwarz lackierten Ständer um. Er hatte diesen Ständer selbst gezimmert, seine erste Holzarbeit überhaupt. Die Füße waren nicht gleichmäßig, die Kanten nicht so glatt, wie er es gerne gehabt hätte. Und wenn man ihm mehr als einen flüchtigen Blick widmete, sah man schnell, dass der Lack an manchen Stellen verlaufen war und dunklere Streifen zog. Er lächelte. Er wusste, wenn er Omi auf all diese Fehler hinwies, würde sie ihm antworten, dass es die Unvollkommenheiten waren, die einem Gegenstand seinen Charakter gaben.
»Wohin wirst du ihn legen?«, fragte sie.
Er hielt den Stein mit drei Fingern und studierte seine unebene, pockennarbige Oberfläche. Die Tradition verlangte, dass er ihn in einem Garten platzierte und ihm einen Namen gab.
Der von rötlich blauen Quarzadern durchzogene und an einer Seite fleckig grüne Stein hatte ohne Zweifel Charakter. In Gedanken stellte er sich vor, wie er im Schatten von Rosen zwischen Kapuzinerkresse überwinterte, in eine Ecke gedrückt, in der ihn nur selten ein Sonnenstrahl entdeckte. Aber wenn das Licht ihn traf, würde das Funkeln des Quarzes die Aufmerksamkeit auf sich ziehen... ein gelegentlicher Aufschrei in einer sonst friedlichen Umgebung.
»In deinem Palastgarten auf Luthien«, stellte er geistesabwesend fest. »In dem Beet, das ich angelegt und gepflegt habe, während ich mich von den Feldzügen erholte. Das ist der richtige Ort für ihn. Bis dahin wird er ebenso heimatlos bleiben müssen wie ich. Vielleicht finde ich hier auf dem Gelände einen zeitweiligen Platz für ihn.«
Er starrte den Stein weiter an. Victor hatte in der Gesellschaft Minoru Kuritas einige Zeit damit verbracht, über die Unendlichkeit zu meditieren, die sich in so einfachen Dingen wie einer Feder, einer Blume oder einem Stein offenbarte. Jetzt wanderten diese Lektionen zurück in sein Bewusstsein. Hier entdeckte er eine dünne Quarzader, die wie ein Fluss aussah, der durch graue Hügel schnitt. Dort formten über einer öden Ebene Kristallfacetten einen Weg aus leuchtenden Stufen ... oder einen Pfad der Tränen. Ja, der Stein sprach zu ihm.
»I will fight no more, forever.«
Omi, die still neben ihm gesessen hatte, warf ihm einen schrägen Blick zu. »Was sagst du, Liebling?«
Victor lächelte ein wenig traurig und legte den Bushido-Stein auf den Tisch. »Ich werde nicht mehr kämpfen, nie mehr. Ein alter Spruch aus der Zeit, bevor die Menschheit Terra verließ. Das Versprechen eines besiegten Anführers.« Er drückte sie zum Dank für ihr Geschenk. »Meine närrische Hoffnung.«
»Hoffnung ist niemals närrisch, Victor. Wo wären wir ohne Hoffnung, du und ich?« Sie nahm seine schwieligen Hände in ihre weichen, schlanken Finger. »Als wir uns vor Jahren auf Outreach begegneten, wer hätte sich da träumen lassen, dass wir jemals zusammen sein könnten? Unsere beiden Nationen? Mein Vater, dein Vater...«
»Dein Bruder«, erinnerte Victor sie und musste fast lachen, als er sich an den stolzen MechKrieger und Samurai Hohiro erinnerte. »Er hätte mich fast niedergeschlagen, damals. Ich finde immer noch, dass er derjenige war, den zu überzeugen die meiste Mühe gekostet hat, auch wenn dein Vater uns wahrlich genug Steine in den Weg gelegt hat.« Er verzichtete auf die Feststellung, dass sein
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