BattleTech 56: In die Pflicht genommen
Ihr Tod hatte seiner Sache Leben eingehaucht. Als er jetzt dasaß und auf den Berg Formulare starrte, konnte er in Gedanken fast ihre Stimme hören. Er gestattete sich bei der Vorstellung, dass sie nur einen Gedanken entfernt war, ein leichtes Lächeln.
Ein Klopfen an die Plaststahl-Kuppel des Zelts holte ihn zurück in die Gegenwart. »Herein«, rief er und schob die Papiere in der Hoffnung beiseite, sich nicht länger mit ihnen befassen zu müssen.
Katya Chaffee stand im Eingang. An ihrer streng militärischen Haltung sah er, dass es kein privater Besuch war, sondern ein dienstlicher. »Vor kurzem ist ein Bote eingetroffen, der behauptet, Befehle für Sie zu haben, Sir«, meldete sie.
»Ein Bote?« Archer war überrascht. Normalerweise übermittelte ComStar Nachrichten über das Hyperpulsgeneratorennetz. Er zog die linke Augenbraue hoch. »Das ist ungewöhnlich.«
Sie nickte. »Es sind ungewöhnliche Zeiten.« Eine grobe Untertreibung, dachte Archer. Konnte
es noch etwas Ungewöhnlicheres geben als eine Rebellion, die das größte Reich der Inneren Sphäre von einem Ende zum anderen spaltete?
»Das kann man wohl sagen. Ich lasse bitten.« Er stand auf. Die graugrüne Ausgehuniform, die er extra für das Interview angelegt hatte, sah noch frisch gebügelt aus und verlieh der Situation einen Hauch von Formalität.
Der Bote, der ins Zelt trat, war jung, höchstens Anfang zwanzig, und plötzlich fühlte Archer sich alt. Der Bursche war jung genug, sein Sohn zu sein... wenn er einen gehabt hätte.
Der Bote salutierte, und Archer erwiderte den Gruß, wenn auch langsamer und entspannter. »Sie haben eine Nachricht für mich?«
»Ja, Sir. Von Prinz Victor Steiner-Davion persönlich.« Er überreichte das Päckchen, und als Archer es öffnete, fand er einen mit Verigraph versiegelten Datenblock. Verigraph-Kodierung benutzte DNSAnalyse zur Identifizierung von Sender und/oder Empfänger.
»Verigraph?«, kommentierte er und presste den Daumen auf die Sensorplatte, um die Analyse zu starten. Ein hörbares Klicken bestätigte die Entriegelung des Geräts. »Ich bin überrascht, dass der Prinz die Botschaft nicht über HPG geschickt hat.«
Der junge Mann lockerte seine Haltung, schob die Beine leicht auseinander und verschränkte die Hände auf dem Rücken. »Katherine hat verschiedene Kommunikationssperren erlassen, die in manchen Regionen die Zustellung unserer Befehle verzögern«, erklärte er. »Der Prinz hielt eine persönliche Zustellung für besser.«
Archer legte den Datenblock auf den Schreibtisch und deutete auf den Klappstuhl davor. »Diese Art von Informationen zu überbringen ist riskante Arbeit, Herr...?«
Der Mann setzte sich. »In diesem Geschäft können Namen gefährlich sein, Sir. Sie können mich Gramash nennen. Sergeant Anton Gramash.«
Archer setzte sich ebenfalls und lehnte sich zurück. »Aber das ist nicht Ihr wirklicher Name.«
Der junge Mann grinste breit. »Wie gesagt, General, Namen können riskant sein.«
Spione. Bis jetzt hatte Archer für solche Leute nie Verwendung gehabt. Aber die Zeiten änderten sich. Er änderte sich. Noch vor ein paar Monaten war er ein ausgemusterter Veteran und Speditionsunternehmer gewesen. Jetzt war er Rebellengeneral. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, während Archer die Ausmaße der jüngsten Ereignisse in seinem Leben und diesem Teil der Milchstraße bedachte. Dann schreckte er aus den Gedanken auf. Die Gesprächspause zog sich unbehaglich in die Länge. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Datenblock.
Es war ein schmales, dunkelgraues Gerät, das beim Aufklappen leise summte. Auf dem Bildschirm erschien ein zweidimensionales Bild, das vertraute und verehrte Gesicht eines Mannes, dem er tiefsten Respekt entgegenbrachte. Sein ehemaliger kommandierender Offizier und jetziger Herrscher, Prinz Victor Steiner-Davion. Auf Victors Gesicht waren mehr Falten sichtbar als beim letzten Mal, als Archer ihn gesehen hatte. So wie er die Schwester hatte der Prinz vor kurzem einen Bruder durch Katherine verloren. Er war sicher, dass sie hinter dem Anschlag auf Arthur Steiner-Davion auf Robinson steckte.
Die Last der Ereignisse, die sich zu diesem Bürgerkrieg ausgeweitet hatten, stand dem Prinzen ins Gesicht geschrieben. Aber Archer sah auch dieselbe Energie und Entschlossenheit wie in den ClanKriegen, als er bei der 10. Lyranischen Garde unter Victor gedient hatte. Victor Steiner-Davion persönlich hatte ihm auf Diana das SternenbundEhrenabzeichen an die
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