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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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annehmen, dass er nochlebte. Es erhob sich lautes Wehgeschrei, der Sohn wurde benachrichtigt, der bleich und noch fiebernd herbeigeeilt kam und beklagte, dass sein Vater sich ein weiteres Mal im Kampf mit den Wasserfluten habe messen wollen. Er erzürnte über Baudolino und Abdul, die ihn jedoch daran erinnerten, dass sie nicht schwimmen konnten, wie fast alle Menschen vom Lande, und dass er doch wisse, wie unmöglich es gewesen sei, den Kaiser zurückzuhalten, wenn er sich in den Kopf gesetzt habe, in einem Fluss zu schwimmen.
    Die Leiche Friedrichs kam allen aufgedunsen vor, obgleich er – wenn er seit Stunden tot war – kein Wasser geschluckt haben konnte. Aber so ist das eben, wenn man einen Toten aus dem Wasser zieht, glaubt man, dass er ertrunken sei, und findet auch, dass er so aussieht.
    Während der junge Friedrich und die anderen Barone sich der irdischen Reste des Kaisers annahmen und erschüttert berieten, was jetzt zu tun war, und während Ardzrouni, von dem schrecklichen Ereignis benachrichtigt, ins Tal hinunterritt, kehrten Baudolino und Abdul auf die Burg zurück, um sich zu vergewissern, dass die anderen inzwischen dort alles in Ordnung gebracht hatten.
     
    »Stell dir vor, was inzwischen passiert war, Kyrios Niketas«, sagte Baudolino.
    »Man muss kein Seher sein, um es zu erraten«, sagte Niketas lächelnd. »Die heilige Schale, der Gradal war verschwunden.«
    »So ist es. Niemand konnte uns sagen, ob er verschwunden war, als wir unten im Hof dabei waren, Friedrich aufs Pferd zu binden, oder danach, als jeder versuchte, das Zimmer in Ordnung zu bringen. Alle waren sehr aufgeregt durcheinandergeschwirrt wie die Bienen; der Poet war hinuntergegangen, um mit den Wachen zu plaudern, und war folglich nicht da gewesen, um das Handeln der einzelnen mit seinem praktischen Sinn zu koordinieren. Nach einer Weile, als sie schon das Zimmer verlassen wollten, in dem nichts Dramatisches mehr passiert zu sein schien, hatte Kyot einen Blick in den Schrein geworfen und festgestellt,dass der Gradal nicht mehr da war. Als ich mit Abdul eintraf, waren sie gerade alle dabei, sich gegenseitig zu beschuldigen und einander abwechselnd Diebstahl oder Achtlosigkeit vorzuwerfen, letzteres in der Annahme, Ardzrouni könnte, während wir im Hof waren, in das Zimmer eingedrungen sein. Aber nein, sagte Kyot, ich hatte mitgeholfen, den Kaiser in den Hof zu bringen, aber dann bin ich gleich wieder rauf, um aufzupassen, dass niemand reinkam, und in der kurzen Zwischenzeit hätte Ardzrouni nicht heraufkommen können. Also hast du den Gradal genommen, ereiferte sich Boron und packte Kyot an der Gurgel. Nein, schrie Kyot zurück, eher bist du's gewesen, während ich am Fenster war, um die vor dem Kamin zusammengekehrte Asche hinauszuwerfen! Ruhe, Ruhe, rief der Poet dazwischen, sagt mir lieber, wo war eigentlich Zosimos, während wir unten im Hof waren? Ich war bei euch, und mit euch bin ich auch wieder raufgegangen, beteuerte Zosimos, und Rabbi Solomon bestätigte es. Eins war sicher, jemand hatte den Gradal genommen, und von da aus war es nicht weit zu der Annahme, dass dieser Jemand derselbe war, der Friedrich auf irgendeine Weise umgebracht hatte. Vergebens gab der Poet zu bedenken, dass Friedrich auch von allein gestorben sein könnte und dass dann einer von uns die Verwirrung genutzt haben könnte, um sich den Gradal zu nehmen, keiner glaubte ihm mehr. Freunde, versuchte uns Rabbi Solomon zu beschwichtigen, die menschliche Tollheit hat, angefangen mit Kain, die schlimmsten Verbrechen ersonnen, aber kein menschliches Hirn war je so verdreht, sich einen Mord in einem geschlossenen Raum auszudenken. – Freunde, sagte dagegen Boron, als wir hier reinkamen, war der Gradal noch da, und jetzt ist er nicht mehr da. Also hat ihn einer von uns. – Natürlich verlangte daraufhin jeder, dass sein Reisegepäck durchsucht wurde, aber da lachte der Poet nur höhnisch und sagte, wenn jemand den Gradal genommen habe, dann habe er ihn an einem sicheren Ort in der Burg versteckt, um ihn später zu holen. Lösung? Wenn Friedrich von Schwaben nichts dagegen habe, würden alle gemeinsam zum Reich des Priesters Johannes aufbrechen, undniemand dürfte zurückbleiben, um sich den Gradal zu holen. Ich sagte, das sei eine schreckliche Vorstellung, wir würden eine gefahrvolle Expedition unternehmen, bei der jeder sich auf die Hilfe der anderen verlassen müsste, und jeder (außer einem) würde alle anderen verdächtigen, Friedrichs Mörder zu sein.

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