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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Fenster, durch das bleiches Nachtlicht einfiel, ich glaube, der Mond stand als dünne Sichel am Himmel. Ich begriff, dass es der Poet war, der hinausging. Vielleicht hatte er sich noch nicht genügend erleichtert. Später – ich weiß nicht wann, ich war wieder eingeschlafen und wieder aufgewacht, und jedes Mal schien mir, dass nur wenig Zeit vergangen war, aber das stimmte vielleicht nicht –, später ging auch Boron hinaus. Dann hörte ich ihn zurückkommen und hörte, wie Kyot ihm zuflüsterte, auch er sei nervös und wolle ein bisschen frische Luft schnappen. Aber schließlich war es meine Pflicht, darauf zu achten, wer hereinzukommen versuchte, nicht wer hinausging, und ich begriff, dass wir alle unruhig waren. Danach erinnere ich mich an nichts mehr, ich weiß nicht, wann der Poet zurückkam, aber lange vor Tagesanbruch schliefen sie alle tief, und so habe ich sie gesehen, als ich kurz vor Sonnenaufgang erwachte.«
     
    Inzwischen lag der Waffensaal im Licht des triumphierenden Morgens. Einige Diener brachten Wein und Brot sowie ein paar Früchte aus der Gegend herein. ObwohlBaudolino wiederholt mahnte, keinen Lärm zu machen, damit der Kaiser nicht gestört wurde, rumorten alle recht munter. Nach einer Stunde schien Baudolino, obwohl der Kaiser darum gebeten hatte, nicht geweckt zu werden, dass es nun spät genug sei. Er klopfte an die Tür. Keine Antwort. Er klopfte erneut.
    »Tiefer Schlaf, das«, lachte der Poet.
    »Vielleicht hat er sich nicht so gut gefühlt«, überlegte Baudolino.
    Sie klopften abermals, immer lauter. Keine Antwort.
    »Gestern hat er wirklich erschöpft ausgesehen«, sagte Baudolino. »Vielleicht hat er einen Schwächeanfall gehabt. Brechen wir die Tür auf!«
    »He, langsam!«, sagte der Poet. »Eine Tür aufzubrechen, die den Schlaf eines Kaisers schützt, das ist fast ein Sakrileg!«
    »Begehen wir das Sakrileg«, sagte Baudolino. »Diese Sache gefällt mir nicht.«
    Sie warfen sich gegen die Tür, die robust war, und solide war offenbar auch der Riegel, der sie versperrte.
    »Noch einmal alle zugleich, auf los alle mit der Schulter dagegen«, sagte der Poet, dem bewusst wurde, dass ein Kaiser, der nicht erwachte, wenn man seine Tür aufbricht, einen verdächtigen Schlaf tat. Die Tür hielt noch immer. Der Poet ging Zosimos holen, der an seiner Kette lag, und stellte alle in zwei Reihen auf, so dass sie gleichzeitig mit voller Wucht gegen beide Türflügel donnern konnten. Beim vierten Versuch gab die Tür endlich nach.
    Friedrich lag mitten im Zimmer, reglos, fast unbekleidet, so wie er sich zu Bett gelegt hatte. Neben ihm der Gradal, auf den Boden gefallen und leer. Im Kamin nur noch ein paar verkohlte Reste, als ob er angezündet worden und dann erloschen wäre. Das Fenster war geschlossen. Im Raum herrschte ein Geruch von verbranntem Holz und Kohlenasche. Boron ging hustend ans Fenster, um frische Luft einzulassen.
    In der Annahme, dass jemand eingedrungen war und sich noch im Raum befand, stürmten der Poet und Boron los, um mit gezogenem Schwert jeden Winkel zuuntersuchen, während Baudolino, der neben Friedrich niedergekniet war, ihm mit einer Hand den Kopf anhob und mit der anderen leichte Backenstreiche versetzte. Der Boidi erinnerte sich an das Herzmittel, das er in Kalliupolis gekauft hatte, öffnete die Kapsel an seinem Ring, zog die Lippen des Kaisers auseinander und träufelte ihm die Flüssigkeit in den Mund. Friedrich zeigte keinerlei Regung. Sein Gesicht war fahlgrau. Rabbi Solomon beugte sich über ihn, versuchte seine Augen zu öffnen, befühlte seine Stirn, seinen Hals, seinen Puls, dann sagte er zitternd: »Dieser Mann ist tot, möge der Herr, der Gesegnete heilig sei immerdar, seiner Seele gnädig sein.«
    »Herr Jesus Christus, das kann nicht sein!« schrie Baudolino auf. Doch so unerfahren er in medizinischen Dingen war, musste er doch erkennen, dass Friedrich Barbarossa, der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Hüter des allerheiligsten Gradals, Hoffnungsträger der Christenheit, letzter und legitimer Nachfolger Caesars, des Kaisers Augustus und Karls des Großen, nicht mehr war. Er brach in Tränen aus, bedeckte das bleiche Gesicht mit Küssen, nannte sich seinen geliebtesten Sohn in der Hoffnung, der Kaiser könne es hören, aber schließlich wurde ihm klar, dass alles vergeblich war.
    Er stand auf, drängte die Freunde, noch einmal überall nachzusehen, auch unter dem Bett, sie durchsuchten alle Winkel nach Geheimgängen und -türen, klopften alle

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