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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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kümmern.
    Während sie mit den Reisevorbereitungen beschäftigt waren, trat Ardzrouni zu ihnen und sprach sie mit der gleichen unterwürfigen Höflichkeit an, die er bisher dem Kaiser vorbehalten hatte.
    »Teuerste Freunde«, sagte er, »ich weiß, dass ihr in ein fernes Reich aufbrecht ...«
    »Woher weißt du das, Herr Ardzrouni?« fragte misstrauisch der Poet.
    »Man hört so dies und das. Ich habe auch von einer Schale gehört ...«
    »Die du nie gesehen hast, nicht wahr?« sagte Baudolino und trat so nah vor ihn hin, dass der andere zurückweichen musste.
    »Nie gesehen. Aber gehört habe ich von ihr.«
    »Wenn du so viele Dinge weißt«, sagte nun der Poet, »weißt du vielleicht auch, ob jemand in dieses Zimmer eingedrungen ist, während der Kaiser unten im Fluss ertrank?«
    »Ist er wirklich im Fluss ertrunken?« fragte Ardzrouni. »Das ist das, was sein Sohn im Moment noch glaubt.«
    »Freunde«, sagte der Poet, »dieser Kerl will uns offensichtlich drohen. Bei dem allgemeinen Durcheinander, das zur Zeit hier zwischen Burg und Lager herrscht, ist es ein leichtes, ihm einen Dolch in den Rücken zu stoßen und ihn irgendwo liegen zu lassen. Aber vorher möchte ich noch gerne wissen, was er von uns will. Die Kehle durchschneiden kann ich ihm dann immer noch.«
    »Mein Herr und mein Freund«, sagte Ardzrouni, »ich will nicht euer Verderben, ich will das meine vermeiden.Der Kaiser ist auf meinem Grund und Boden gestorben, während er mein Brot aß und meinen Wein trank. Von Seiten der Kaiserlichen habe ich keine Gunst und keinen Schutz mehr zu erwarten. Ich muss schon dankbar sein, wenn sie mich ungeschoren lassen. Hier jedoch bin ich in Gefahr. Seit ich Friedrich als Gast bei mir empfangen habe, hat Fürst Leo begriffen, dass ich den Kaiser gegen ihn auf meine Seite ziehen wollte. Solange Friedrich lebte, hätte mir Leo nichts tun können – und daran seht ihr, dass der Tod dieses Mannes für mich ein schreckliches Unglück ist. Jetzt wird Leo sagen, durch meine Schuld habe er, der Fürst der Armenier, das Leben des vornehmsten seiner Verbündeten nicht garantieren können. Eine treffliche Gelegenheit, mich dem Tod zu überantworten. Mir bleibt kein Ausweg mehr. Ich muss für lange Zeit verschwinden und dann mit etwas zurückkehren, was mir wieder Prestige und Autorität verschafft. Ihr seid im Begriff, euch auf die Suche nach dem Land des Priesters Johannes zu machen, und wenn ihr es findet, wird eure Expedition ein glorreiches Unternehmen sein. Ich möchte mitkommen. Dadurch beweise ich euch überdies, dass ich die Schale nicht habe, von der ihr sprecht, denn hätte ich sie, würde ich hierbleiben und sie benutzen, um mit irgendwem einen Handel zu schließen. Ich bin ein guter Kenner der Länder des Ostens, ich könnte euch nützlich sein. Ich weiß, dass der junge Herzog euch kein Geld gegeben hat – ich würde das bisschen Gold mitnehmen, über das ich verfüge. Und schließlich, Baudolino weiß es, besitze ich sieben kostbare Reliquien, sieben Häupter von Johannes dem Täufer, die wir unterwegs verkaufen könnten, eines hier, eines da.«
    »Und wenn wir ablehnen«, sagte Baudolino, »dann gehst du zu Friedrich von Schwaben und bläst ihm ein, dass wir für den Tod seines Vaters verantwortlich sind.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Hör zu, Ardzrouni, du bist nicht der Mensch, den ich freiwillig irgendwohin mitnehmen würde, aber in diesem verdammten Abenteuer riskiert inzwischen jeder von uns, der Feind des anderen zu werden. Auf einen Feind mehr kommt es da also nicht mehr an.«
    »Aber genaugenommen wäre dieser Mensch bei uns überzählig«, sagte der Poet. »Wir sind schon zwölf, und ein dreizehnter bringt Unglück.«
    Während die anderen über Ardzrounis Mitnahme diskutierten, dachte Baudolino über die sieben Täuferköpfe nach. Er war nicht so sicher, dass diese Köpfe wirklich ernst genommen werden könnten, aber wenn ja, stellten sie zweifellos ein Vermögen dar. Er ging noch einmal in die kleine Kammer hinunter, wo er sie entdeckt hatte, und nahm einen der Köpfe zur Hand, um ihn genauer zu betrachten. Sie waren gut gemacht, das Antlitz des Heiligen mit seinen großen, weit aufgerissenen Augen ohne Pupillen war eindrucksvoll und regte zu heiligen Gedanken an. Sicher, wenn man sie alle in Reihe nebeneinander sah, feierten sie ihre eigene Falschheit, aber jeder für sich betrachtet konnte schon überzeugen. Baudolino stellte den Kopf wieder auf die Anrichte und kehrte zu den anderen

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