Baudolino - Eco, U: Baudolino
auftauchensehen, die es auf dieser Welt nicht gab, so dass man auch dort haltmachen musste, wo man noch hätte weitergehen können, denn wenn man der Täuschung erlag, verirrte man sich und stürzte in einen Graben. »Und wie gehst du im Nebel bei uns zu Hause«, sagte er, »wenn nicht nach dem Gefühl, nach dem Instinkt, nach Gehör und Tastsinn, wie es die Fledermäuse tun, die blind wie sonst was sind? Du kannst nicht mal deinem Geruchssinn folgen, denn der Nebel steigt dir in die Nase, und das einzige, was du riechst, ist sein Nebelgeruch! Also«, schloss der Porcelli, »wenn du ans Gehen im Nebel gewöhnt bist, dann ist das Gehen in tiefster Dunkelheit wie ein Gehen am helllichten Tag.«
Die übrigen Alexandriner stimmten zu, und so war es nun an Baudolino und seinen fünf Jugendfreunden, die Truppe anzuführen, während die anderen sich jeder an eines ihrer Pferde banden und ihnen gottergeben folgten.
Anfangs ging es noch voran, dass es eine Freude war, denn sie kamen sich tatsächlich vor wie im Nebel bei sich zu Hause, aber nach einigen Stunden wurde es wirklich stockdunkel. Die Anführer spitzten die Ohren, um das Knacken von Zweigen zu hören, und wenn es nicht mehr zu hören war, schlossen sie daraus, dass sie auf eine Lichtung gelangt waren. Die Bewohner des Dorfes am Rand der Ebene hatten ihnen gesagt, dass dort immer eine kräftige Brise von Süden nach Norden wehte, und so hielt Baudolino von Zeit zu Zeit einen feuchten Finger in die Luft, um zu prüfen, woher der Wind kam, und sich dann nach Osten zu wenden.
Wann es Nacht wurde, merkten sie daran, dass die Luft kühler wurde, und dann hielten sie an, um zu rasten – eine sinnlose Entscheidung, meinte der Poet, denn unter solchen Umständen könne man ebenso gut auch am Tage rasten. Doch Ardzrouni wies darauf hin, dass man, wenn es kühl wurde, keine Geräusche von Tieren mehr hörte, die sich jedoch beim ersten wärmenden Lüftchen wieder einstellten, besonders der Vogelgesang, was darauf hindeute, dass alle Lebewesen in Abkasia den Tag nach dem Näherkommen von Kälte und Wärme bemaßen, als wäre es das Erscheinen des Mondes oder der Sonne.
Lange bemerkten sie keinerlei Anwesenheit von Menschen. Als ihre Vorräte aufgezehrt waren, streckten sie die Hände aus, bis sie an die Zweige eines Baumes stießen, und tasteten sie Zweig für Zweig ab, manchmal stundenlang, bis sie auf eine Frucht stießen, die sie dann freudig aßen in der Hoffnung, dass sie nicht giftig war. Oft war der lockende Duft irgendeines pflanzlichen Wunders das Ausschlaggebende für Baudolino (der die feinste Nase von allen hatte), um zu entscheiden, ob sie geradeaus weiterreiten oder nach rechts oder links abbiegen sollten. Mit der Zeit wurden sie immer feinfühliger und geschickter. Aleramo Scaccabarozzi genannt il Ciula hatte einen Bogen, den er schussbereit hielt, bis er vor sich das Schnattern eines weniger flinken Vogels hörte, der vielleicht weniger flugfähig war, so wie bei uns die Hühner. Er schoss den Pfeil ab, und in den meisten Fällen gelang es ihnen, geleitet von einem Todesschrei oder einem moribunden Flügelgeflatter, die Beute zu packen, die sie dann rupften und über einem Feuer aus Zweigen brieten. Das Verblüffendste war, dass sie durch Aneinanderreiben von Steinen das Holz entzünden konnten – die Flamme erhob sich rot, wie es sich gehörte, aber sie erhellte nichts, nicht einmal die Gesichter derer, die sie umringten, und sie brach genau an der Stelle ab, wo der zu bratende Vogel, auf einen Zweig gespießt, in sie hineingehalten wurde.
Wasser zu finden war nicht schwer, denn oft genug hörten sie das Plätschern einer Quelle oder eines Baches. Insgesamt kamen sie jedoch nur sehr langsam voran, und einmal mussten sie feststellen, dass sie nach zwei Tagen an dieselbe Stelle zurückgekehrt waren, von der sie sich aufgemacht hatten, denn als sie an einem kleinen Wasserlauf tastend die Gegend erkundeten, stießen sie auf die Spuren ihres früheren Lagers.
Schließlich aber bemerkten sie die Anwesenheit der Abkasianer. Zuerst hörten sie Stimmen, ein Wispern und Tuscheln, das sie rings umgab, und es waren erregte Stimmen, wenngleich sehr leise, als zeigten die Bewohner des Waldes dabei mit den Fingern auf jene unerwarteten und nie gesehenen beziehungsweise nie gehörten Besucher. Einmalstieß der Poet einen lauten Schrei aus, und mit einem Schlag verstummte das Gewisper, während ein Rascheln von Gras und Blättern anzeigte, dass die Abkasianer
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