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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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auch wenn dir da alles so schön vorkommt. Du musst zum Reich dieses Priesters, von dem du mir erzählt hast, und musst ihm diesen Kelch bringen, wer macht sonst unser Baudolinchen-Colandrinchen zum Herzog? Mach mich glücklich, hier oben geht's mir nicht schlecht, aber du fehlst mir so!«
    »Colandrina, Colandrina«, rief Baudolino oder glaubte er zu rufen, »sei still, du bist eine Larve, eine Täuschung, eine Frucht dieser Frucht! Die Toten kehren nicht zurück!«
    »Gewöhnlich nicht«, antwortete Colandrina, »aber ich hab so sehr gebettelt. Ich habe gesagt, ihr habt mir nur eine Jahreszeit mit meinem Mann gegeben, nur ein winziges Stückchen. Tut mir diesen kleinen Gefallen, wenn ihr ein Herz habt. Es geht mir gut hier oben, ich sehe die Madonna und alle Heiligen, aber mir fehlen die Liebkosungen meines Baudolino, der mich so schön gekitzelt hat. Da haben sie mir ein bisschen Zeit gegeben, gerade genug für ein Küsschen. Baudolino, gib dich auf der Reise nicht mit den Frauen ab, die du unterwegs triffst, sie haben womöglich schlimme Krankheiten. Nimm die Beine in die Hand und geh der Sonne entgegen.«
    Sie verschwand, während Baudolino eine weiche Berührung auf der Wange spürte. Er schüttelte seinen Wachtraum ab, legte sich wieder hin und schlief friedlich ein.Am nächsten Morgen sagte er zu seinen Gefährten, sie müssten weiterziehen.
    Noch viele weitere Tage vergingen, dann entdeckten sie einen Schimmer, einen milchigen Streifen am Horizont. Langsam verwandelte sich die Finsternis wieder in das Grau eines dichten gleichmäßigen Nebels. Sie wurden gewahr, dass die Abkasianer, die sie begleitet hatten, stehen geblieben waren und sich flötend und pfeifend von ihnen verabschiedeten. Offenbar waren sie am Rand einer Lichtung stehen geblieben, an der Grenze jener Helligkeit, die sie sicherlich fürchteten, und es hörte sich an, als winkten sie ihnen nach, und am Klang ihrer Stimmen war zu erkennen, dass sie lächelten.
     
    Erneut ging es durch den Nebel, dann erblickten die zwölf zum ersten Mal wieder die Sonne. Anfangs waren sie wie geblendet, und Abdul wurde gleich wieder von Fieberschauern gepackt. Sie hatten gedacht, nach der Prüfung mit Abkasia würden sie endlich in die ersehnten Gefilde gelangen, aber sie mussten rasch einsehen, dass dem nicht so war.
    Kaum hatten sie den Nebel hinter sich, kamen Vögel mit Menschengesichtern geflogen, die über ihren Köpfen kreisten und riefen: »Welchen Boden betretet ihr da? Zurück, zurück! Das Land der Seligen darf nicht verletzt werden. Kehrt zurück in das Land, das euch gegeben worden ist!« Der Poet sagte, es handle sich um eine Hexerei, vielleicht um eine der Methoden, mit denen das Land des Priesters verteidigt werde, und überredete die anderen weiterzuziehen.
     
    Nachdem sie ein paar Tage durch eine Steinwüste ohne jeden Halm geritten waren, sahen sie drei Bestien auf sich zukommen. Die eine war zweifellos eine Katze, der Rücken gebuckelt, das Fell gesträubt und Augen wie glühende Kohlen. Die andere hatte den Kopf eines brüllenden Löwen, den Leib einer Ziege und das Hinterteil eines Drachens, doch auf dem Ziegenrücken erhob sich ein zweiter Kopf, der Hörner hatte und blökte. Der Schwanz war eineSchlange, die sich mit drohendem Zischen nach vorne reckte. Die dritte Bestie hatte einen Löwenleib, einen Skorpionstachel und einen fast menschlichen Kopf mit himmelblauen Augen, einer schön gezeichneten Nase und einem weit aufgerissenen Mund, in dem man oben und unten je eine dreifache Reihe von messerscharfen Zähnen gewahrte.
    Am meisten Sorge bereitete unseren Freunden zunächst die Katze, bekanntlich ein Bote Satans und Haustier nur bei Hexen und Zauberern, auch weil man sich gegen jedes Untier verteidigen kann, nur nicht gegen sie, denn noch ehe man das Schwert gezogen hat, springt sie einem ins Gesicht und kratzt einem die Augen aus. Solomon murmelte überdies, es sei nichts Gutes zu erwarten von einem Tier, das nirgendwo im Buch der Bücher erwähnt werde. Das zweite Tier war Boron zufolge sicherlich eine Chimäre, das einzige Wesen, welches, wenn es die Leere gäbe, summend in ihr fliegen und die Gedanken der Menschen aufsaugen könne. Beim dritten Tier gab es keinen Zweifel, und Baudolino erkannte es als eine Mantikore, nicht unähnlich der Bestie Leukokroka, über die er vor langer Zeit (wie lange mochte das her sein?) an Beatrix geschrieben hatte.
    Die drei Monster kamen ihnen entgegen: die Katze mit raschen Sprüngen auf lautlosen

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