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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wie auf einer klaren Wasserfläche. »Diesen Spiegel haben wir einmal als Gastgeschenk bekommen«, sagte er, »und wir konnten ihn aus Höflichkeit gegenüber dem Schenkenden nicht ablehnen. Aber niemand von uns würde sich darin betrachten wollen, denn das könnte uns zur Eitelkeit über unseren Körper verführen oder zum Erschrecken über einen körperlichen Mangel, und dann würden wir in der Angst leben, dass uns die anderen verachteten. In diesem Spiegel wirst du vielleicht eines Tages erblicken, was du gesucht hast.«
    Kurz vor dem Einschlafen, als sie in ihrer Hütte lagen, sagte der Boidi mit feuchten Augen: »Lasst uns hierbleiben.«
    »Toll würdest du aussehen, so ganz splitternackt«, entgegnete der Poet.
    »Vielleicht wollen wir zu viel«, sagte Rabbi Solomon, »aber inzwischen können wir nicht mehr anders, als es zu wollen.«
    Am nächsten Morgen zogen sie weiter.

 
    27. Kapitel
    Baudolino in der Finsternis von Abkasia
     
    Nachdem sie die Gymnosophisten verlassen hatten, irrten sie lange umher auf der Suche nach einem Weg zum Sambatyon, der nicht durch jene schrecklichen Orte führte, die man ihnen genannt hatte. Sie durchquerten Ebenen, durchwateten Flüsse, kletterten steile Hänge empor, während Ardzrouni immer wieder Berechnungen anhand der Karte von Kosmas anstellte und verkündete, dass der Euphrat oder der Tigris oder der Ganges nun nicht mehr weit sein könnten. Der Poet herrschte ihn an, er solle still sein, hässlich und schwarz wie er sei, Solomon wiederholte, er werde schon irgendwann wieder weiß werden, und die Tage und Monate gingen dahin.
     
    Einmal lagerten sie an einem Teich. Das Wasser war nicht das klarste, aber es mochte angehen, und besonders die Pferde genossen es sehr. Als sie sich gerade zum Schlafen legen wollten, ging der Mond auf, und im Licht seiner ersten Strahlen erblickten sie ein unheimlich anmutendes Gewimmel. Es war ein nicht enden wollendes Heer von Skorpionen, alle mit aufgerichtetem Stachel, offenbar auf der Suche nach Wasser, und danach kam eine Legion von Schlangen in allen Farben: einige rot, andere schwarz und weiß, wieder andere schimmernd wie Gold. Die ganze Gegend war ein einziges Zischen, und unsere Freunde erfasste ein großes Entsetzen. Sie stellten sich im Kreis, mit den Schwertern nach außen, um das üble Gezücht zu erschlagen, bevor es sich ihrer Abwehrkette nähern konnte. Aber die Schlangen und Skorpione schienen mehr vom Wasser angelockt als von ihnen, und sowie sie getrunken hatten, zogen sie sich der Reihe nach wieder zurück und verschwanden in irgendwelchen Bodenritzen.
    Um Mitternacht, als die Bedrängten schon dachten, sie könnten ein bisschen schlafen, erschienen Schlangen mit einem gezackten Kamm auf dem Rücken, und jede von ihnen hatte zwei oder drei Köpfe. Mit ihren Schuppen fegten sie den Boden, und sie hielten den Rachen weit aufgerissen, so dass man drei Zungen darin züngeln sah. Ihren Gestank konnte man eine Meile weit riechen, und man hatte den Eindruck, dass ihre im Mondlicht glimmenden Augen Gift sprühten, wie es ja übrigens bei den Basilisken geschieht ... Unsere Freunde kämpften eine Stunde lang gegen sie, auch weil diese Bestien aggressiver als die anderen waren und es vielleicht auf ihr Fleisch abgesehen hatten. Sie töteten einige, und deren Artgenossen stürzten sich auf die Leichen, verspeisten sie mit Genuss und vergaßen darüber die Menschen. Schon dachten diese, sie hätten es überstanden, da erschienen nach den Schlangen große Krebse, mehr als hundert, mit einer Schuppenhaut wie Krokodile und einem Panzer, an dem ihre Schwerter abprallten. Bis Colandrino eine aus der Verzweiflung geborene Idee hatte: Er näherte sich einem von ihnen und gab ihm einen kräftigen Fußtritt genau unter den Bauch, woraufhin der Krebs auf den Rücken fiel und wild mit den Scheren ruderte. So gelang es unseren Freunden schließlich, die Angreifer zu umzingeln, sie mit Zweigen zu bedecken und diese anzuzünden. Später entdeckten sie, dass die Krebse, hatte man sie erst einmal ihres Panzers beraubt, durchaus essbar waren, und so konnten sie sich zwei Tage lang an einem weichen und faserigen, aber alles in allem recht guten und nahrhaften Fleisch erfreuen.
     
    Ein andermal begegneten sie tatsächlich einem Basilisken, und er war genauso, wie es in vielen Berichten überliefert wird, die zweifelsohne der Wahrheit entsprechen. Er trat aus einem Felsblock, indem er den Stein aufsprengte, wie schon Plinius berichtet. Er hatte den

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