Baudolino
untergehakt, und auch die Kranken wurden auf Karren mitgezogen, und sogar die Schwachsinnigen und die Lahmen waren dabei, und die Helden der Belagerung, die einen Arm eingebüßt hatten oder ein Bein oder gar beide, so daß sie mit bloßem Rumpf auf einem Brett mit Rädern saßen, das sie mit den Händen voranbewegten. Da sie nicht wußten, wie lange sie draußen bleiben mußten, hatten sich viele etwas zu essen mitgebracht, die einen Brot und Salami, die anderen gebratene Hühnchen und wieder andere Körbe mit Obst, so daß es am Ende fast aussah, als machten sie einen schönen Ausflug ins Grüne.
In Wirklichkeit war es noch kalt und auf den Feldern lag Rauhreif, so daß an ein Hinsetzen nicht zu denken war. Die soeben Ausgebürgerten standen frierend da, stampften mit den Füßen und bliesen sich in die Hände, und jemand sagte:
»Bringen wir diesen Zirkus rasch hinter uns, zu Hause steht noch der Topf auf dem Feuer.«
Die Männer des Kaisers begaben sich in die Stadt, und
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niemand sah, was sie dort taten, auch nicht Baudolino, der draußen wartete. Nach einer Weile kam ein Bischof heraus und verkündete, dies sei die Stadt Caesarea, gegründet vom Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Die hinter Baudolino
stehenden Kaiserlichen hoben die Schwerter und Schilde und priesen lauthals den großen Friedrich. Baudolino ließ sein Pferd antraben, näherte sich den ersten Reihen der
Herausgekommenen und verkündete in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Gesandter, soeben habe Friedrich, ausgehend von den sieben Ortschaften Gamondio, Marengo, Bergoglio,
Roboreto, Solero, Foro und Oviglio, diese noble Stadt
gegründet, habe ihr den Namen Caesarea verliehen und
übergebe sie nun den versammelten Bewohnern vorgenannter Ortschaften mit der Einladung, dieses turmbewehrte Geschenk in Besitz zu nehmen.
Der Kammerherr verlas einige Artikel des Abkommens, aber alle froren, und so begnügten sie sich mit einer schnellen Aufzählung der Einzelheiten über die Regalien, die Steuern, die Wegzölle und all das, was einen Vertrag in Kraft setzt. »Laß gut sein, Rudolf«, sagte Baudolino. »Ist doch sowieso alles bloß eine Farce, und je eher wir fertig sind, desto besser.«
Die vorübergehend Ausgebürgerten kehrten in ihre Stadt
zurück, und alle waren wieder da - bis auf Oberto del Foro, der die Schmach dieser Huldigung nicht hatte hinnehmen wollen, denn schließlich war er es gewesen, der Friedrich in die Knie gezwungen hatte, weshalb er an seiner Statt die Bürger Anselmo Conanzi und Teobaldo Guasco als nuncii civitatis geschickt hatte.
An Baudolino vorbeidefilierend, legten die nuncii des neuen Caesarea den förmlichen Treueid ab, wenngleich in einem so grauenhaft schlecht ausgesprochenen Latein, daß man, hätten sie hinterher behauptet, das Gegenteil geschworen zu haben, sie nicht hätte widerlegen können. Was die anderen betraf, so
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trotteten sie hinterher, winkten müde, um einen Gruß
anzudeuten, und brummelten etwas wie: »Grüß dich, Baudolino, wie geht's, Baudolino, hallo, Baudolino, altes Haus, alles noch gut beieinander, hä?« Der alte Gagliaudo knurrte im
Vorbeigehen, dies sei keine seriöse Veranstaltung, aber er hatte das Feingefühl, seinen Hut zu ziehen, und wenn man bedachte, daß er ihn vor seinem Nichtsnutz von Sohn zog, war das eine größere Huldigung, als wenn er dem Kaiser Friedrich die Füße geküßt hätte.
Kaum war die Zeremonie vorüber, entfernten sich sowohl die Lombarden als auch die Teutonen so rasch wie möglich, als ob sie sich schämten. Baudolino folgte seinen Landsleuten in die Stadt, und dabei hörte er, wie einige sagten: »Aber nun schau bloß mal, was für eine schöne Stadt!«
»Aber findest du nicht, sie sieht genauso aus wie diese andere, die hier früher war, wie hieß sie noch gleich?«
»Schau doch bloß mal, welche Technik diese Alemannen
haben: Im Handumdrehen haben sie dir eine Stadt hochgezogen, die eine wahre Pracht ist!«
»Seht mal dort hinten, das sieht ganz so aus wie mein Haus, sie haben es in allem ganz gleich gebaut!«
»Freunde«, rief Baudolino, »seid froh, daß ihr so gut
davongekommen seid, ohne den Preis dafür bezahlen zu
müssen!«
»Tjaja, und du spiel nicht zuviel den großen Herrn, sonst glaubst du am Ende noch selber, daß du einer bist.«
Es war ein schöner Tag. Baudolino legte alle Insignien seiner Macht ab und feierte mit ihnen. Auf dem Platz vor der
Kathedrale tanzten die Mädchen Ringelreihen, der Boidi führte
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