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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Einfaltspinsel, weil man schon vorher wußte, daß ihr welche seid, aber ihr macht den Händlern keine Freude, denn das Schöne auf dem Markt ist das Handeln. Also bietet zwei Münzen an, wenn sie zehn verlangen, dann gehen sie runter auf sieben, dann bietet ihr drei, und sie gehen runter auf fünf, ihr bleibt stur bei drei, bis sie jammernd nachgeben und schwören, sie würden mit der ganzen Familie elendiglich verhungern. Jetzt könnt ihr kaufen, aber seid euch darüber im klaren, daß die Ware bloß eine Münze wert war.«
    »Und warum sollen wir sie dann kaufen?« fragte der Poet.
    »Weil auch die Händler ein Recht auf Leben haben, und drei Münzen für etwas, dessen Wert nur eine beträgt, das ist ein ehrlicher Handel. Aber ich muß euch noch eine Warnung
    mitgeben: Nicht nur die Händler haben ein Recht auf Leben, auch die Diebe, und da sie einander nicht gut gegenseitig bestehlen können, versuchen sie es bei euch. Wenn ihr sie daran hindert, ist das euer gutes Recht, aber wenn sie es schaffen, dürft ihr euch nicht beklagen. Daher rate ich euch, keine größeren Summen mit euch herumzutragen, sondern nur gerade soviel,
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    wie ihr ausgeben wollt, und basta.«
    Instruiert von einem so gut mit den örtlichen Bräuchen
    vertrauten Führer, stürzten sich unsere Freunde in ein
    Gewimmel von Menschen, die nach Knoblauch rochen wie alle Romäer. Baudolino kaufte sich zwei fein ziselierte arabische Dolche, die man rechts und links am Gürtel trug und mit gekreuzten Armen rasch ziehen konnte. Abdul fand einen
    kleinen kristallenen Schrein, der eine Haarlocke enthielt (wer weiß von wem, aber es war klar, an wen er dabei dachte).
    Solomon rief laut nach den anderen, als er das Zelt eines Persers entdeckt hatte, der wundertätige Elixiere verkaufte. Der Mann zeigte ihnen eine Phiole, die nach seinen Worten ein höchst wirksames Pharmakon enthielt, das in kleinen Dosen eingenommen die Lebensgeister anregte, aber zu raschem Tod führte, wenn man alles auf einmal trank. Danach zeigte er ihnen eine genau gleich aussehende Phiole, die jedoch das stärkste aller Gegengifte enthielt, das die Wirkung jedes beliebigen Giftes zu annullieren vermochte. Solomon, der sich wie alle Juden gern mit Medizin beschäftigte, kaufte das Gegengift. Als Angehöriger eines Volkes, das noch mehr vom Handel verstand als die Romäer, gelang es ihm, nur eine Münze statt der verlangten zehn zu bezahlen, und dabei grämte er sich, weil er fürchtete, mindestens das Doppelte des wahren Wertes bezahlt zu haben.
    Als sie das Zelt des Apothekers verließen, fand Kyot eine prächtige Schärpe, während Boron, nachdem er alle Waren ausgiebig gemustert hatte, nur den Kopf schüttelte und
    murmelte, für jemanden im Gefolge eines Kaisers, der den Gradal besitze, seien alle Schätze der Welt nichts als Schrott, also wie dann erst diese! Schließlich fanden sie auch den Boidi aus Alexandria wieder, der inzwischen zu ihrer Gruppe gehörte.
    Er hatte sich in einen Ring verguckt, der vielleicht aus Gold war (der Verkäufer weinte, als er ihn hergab, weil er angeblich von
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    seiner Mutter stammte) und der jedenfalls in einer Kapsel ein wundertätiges Herzmittel enthielt, von dem ein winziger Schluck genügte, um einen Schwerverletzten wiederzubeleben und in bestimmten Fällen sogar einen Toten wiederauferstehen zu lassen. Der Boidi hatte ihn gekauft, weil er fand, wenn man wirklich seine Haut unter den Mauern von Jerusalem riskieren müsse, dann sei es besser, ein wenig Vorsorge zu treffen.
    Zosimos begeisterte sich für ein Siegel mit einem Zeta, also seiner Initiale, das zusammen mit einer Stange Siegellack verkauft wurde. Das Zeta war so abgegriffen, daß es vielleicht gar keine Spur mehr im Lack hinterlassen würde, aber ebendies war ein Beweis für das ehrwürdige Alter des Gegenstandes.
    Natürlich hatte Zosimos als Gefangener kein Geld, aber
    Solomon erbarmte sich seiner und kaufte ihm das Siegel.
    Während sie sich so durch das Gedränge schoben, merkten sie auf einmal, daß sie den Poeten verloren hatten, aber schließlich fanden sie ihn wieder, wie er gerade über den Preis eines Schwertes verhandelte, das nach den Worten des Verkäufers aus der Zeit der Eroberung Jerusalems stammte. Als er jedoch seine Börse ziehen wollte, mußte er feststellen, daß Zosimos recht gehabt hatte und daß er mit seinen blauen Augen eines
    gedankenverlorenen Alemannen die Diebe wie Fliegen auf sich zog. Baudolino erbarmte sich seiner und schenkte ihm das

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