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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Schwert.
    Tags darauf präsentierte sich im Lager ein reichgekleideter Mann mit übertrieben ehrfurchtsvollem Gebaren, begleitet von zwei Dienern, und wollte Zosimos sprechen. Der Mönch
    tuschelte etwas mit ihm, dann kam er zu Baudolino und sagte, es handle sich um Machitar Ardzrouni, einen hohen armenischen Würdenträger, der dem Kaiser eine geheime Botschaft seines Fürsten Leo zu überbringen habe.
    »Ardzrouni?« sagte Niketas. »Den kenne ich. Er war
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    mehrmals nach Konstantinopel gekommen, schon seit der Zeit des Andronikos. Ich verstehe, daß er sich mit deinem Zosimos getroffen hat, denn er stand im Ruf eines Kenners der magischen Wissenschaften. Einer meiner Freunde in Selymbria - aber Gott weiß, ob wir ihn dort noch antreffen werden - war auch zu Gast in seiner Burg von Dadschig...«
    »Auch wir waren das - zu unserem Unglück, wie du noch
    hören wirst. Daß er ein Freund von Zosimos war, war für mich ein ungutes Zeichen, aber ich sagte es Friedrich, und der wollte ihn sehen. Mit Angaben über seinen Auftraggeber war dieser Ardzrouni sehr zurückhaltend. Er sei von Leo geschickt worden und sei es auch wieder nicht, beziehungsweise wenn er es sei, dürfe er es nicht sagen. Er sei gekommen, um dem kaiserlichen Heer als Führer durch das Gebiet der Türken bis nach Armenien zu dienen. Ardzrouni sprach ein passables Latein mit Friedrich, aber wenn er etwas im vagen lassen wollte, tat er so, als ob er das richtige Wort nicht finden könne. Friedrich fand ihn unzuverlässig und heimtückisch wie alle Armenier, aber einen Ortskundigen konnte er gut gebrauchen, und so beschloß er, ihn der Armee beizugeben, wobei er mich lediglich bat, ein Auge auf ihn zu haben. Ich muß sagen, er hat sich während der ganzen Reise untadelig verhalten und uns immer Informationen
    gegeben, die sich dann als richtig erwiesen.«
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    24. KAPITEL

    BAUDOLINO IN DER BURG VON
    ARDZROUNI
    Im März des Jahres 1190 betrat das Pilgerheer asiatischen Boden, durchquerte Mysien und Lydien, erreichte das
    phrygische Laodikeia und zog weiter zum Gebiet der
    seldschukischen Türken. Der alte Sultan von Ikonion hatte sich zum Verbündeten Friedrichs erklärt, aber seine Söhne
    entmachteten ihn und griffen das Christenheer an. Oder nein, auch Kilidsch änderte seine Meinung, aber das hat man nie recht erfahren. Zusammenstöße, Scharmützel, regelrechte Schlachten
    - Friedrich zog als Sieger voran, aber sein Heer wurde dezimiert durch die Kälte, den Hunger und die Angriffe der Turkmenen, die plötzlich auftauchten, an den Rändern des Heeres
    zuschlugen und ebenso schnell, als gute Kenner der Wege und der Verstecke, wieder verschwanden.
    Schwerfüßig durch sonnenheiße und öde Gebiete ziehend,
    mußten die Kreuzpilger ihren Urin oder das Blut ihrer Pferde trinken. Als sie vor Ikonion eintrafen, war ihre Zahl
    zusammengeschmolzen auf nicht mehr als tausend Reiter.
    Dennoch wurde es eine schöne Belagerung, und obwohl er
    krank war, schlug der junge Friedrich von Schwaben sich gut, als er höchstpersönlich die Stadt erstürmte.
    »Du sprichst kühl über den jungen Friedrich.«
    »Er mochte mich nicht. Er mißtraute allen, er war eifersüchtig auf seinen jüngeren Bruder, der im Begriff stand, ihm die
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    Kaiserkrone zu nehmen, und sicher war er auch eifersüchtig auf mich, den nicht Blutsverwandten, auf die Zuneigung, die sein Vater für mich hegte. Vielleicht war er schon als Kind verwirrt gewesen über die Art und Weise, wie ich seine Mutter
    angesehen hatte, oder sie mich. Er war eifersüchtig auf die Autorität, die ich mir dadurch erworben hatte, daß ich seinem Vater den Gradal geschenkt hatte, und was diese Geschichte betraf, hat er sich immer seht skeptisch gezeigt. Als er von einer Expedition nach Indien reden hörte, knurrte er bloß, darüber werde man zu gegebener Zeit sprechen. Er fühlte sich von allen beiseite geschoben. Deswegen hat er sich dann in Ikonion so tapfer geschlagen, obwohl er an jenem Tag Fieber hatte. Nur als ihn sein Vater dann für die gelungene Unternehmung lobte, und das vor allen seinen Baronen, habe ich ein glückliches Leuchten in seinen Augen gesehen. Das einzige Mal in seinem ganzen Leben, glaube ich. Ich bin vor ihn hingetreten, um ihm zu huldigen, und ich war wirklich froh für ihn, aber er hat mir nur zerstreut gedankt.«
    »Ich finde, du ähnelst mir, Baudolino. Auch ich beschäftige mich beim Schreiben der Chroniken meines Reiches besonders mit den kleinen Neidereien, den Haß- und

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