Baudolino
sie anfing, aber nicht, wo sie endete.
Um die Gemetzel und Plünderungen der früheren
Expeditionen zu vermeiden, hatte der Kaiser nicht gewollt, daß jene Horden von enterbten Kleinadligen mitkamen, die hundert Jahre zuvor soviel Blut in Jerusalem vergossen hatten. Diesmal sollte es eine saubere Sache sein, ordentlich gemacht von Leuten, die wußten, wie man einen Krieg führt, nicht von Unseligen, die loszogen mit der Entschuldigung, sich das Paradies zu erwerben, und heimkamen mit der erbeuteten Habe von Juden, denen sie unterwegs die Kehle durchgeschnitten hatten.
Friedrich hatte nur Teilnehmer zugelassen, die zwei Jahre lang selbst für sich aufkommen konnten, und die armen Soldaten hatten jeder drei Silbermark für die Ernährung unterwegs erhalten. Wenn man Jerusalem befreien will, muß man
ausgeben, was dafür nötig ist.
Auch viele Italiener hatten sich der Expedition angeschlossen: die Cremoneser mit Bischof Sicardo, die Brescianer, die
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Veroneser mit Kardinal Adelardo, sogar einige Alexandriner, darunter alte Freunde von Baudolino wie der Boidi, der Cuttica aus Quargnento, der Porcelli, Aleramo Scaccabarozzi, genannt il Ciula, Colandrino, ein Bruder von, Colandrina und somit Baudolinos Schwager, einer der Trottis, und weiter Pozzi, Ghilini, Lanzavecchia, Peri, Inviziati, Gambarini und Cermelli, alle auf eigene Rechnung oder auf Kosten der Stadt.
Es war ein prächtiger Zug, an der Donau entlang bis Wien; und dann auch in Preßburg, wo Friedrich im Juni den König von Ungarn traf. Später ging es von der Donau weg in die
Schluchten des Balkans, und im Juli trafen sie den Fürsten der Serben, der ihnen ein Bündnis gegen Byzanz vorschlug.
»Ich glaube, dieses Treffen hat eurem Basileus Isaakios Sorgen gemacht«, sagte Baudolino. »Er fürchtete, die Armee wolle Konstantinopel erobern.«
»Er täuschte sich nicht.«
»Er täuschte sich um fünfzehn Jahre. Friedrich wollte damals wirklich nach Jerusalem.«
»Aber wir waren beunruhigt.«
»Das kann ich verstehen, ein gewaltiges fremdes Heer war im Begriff, durch euer Gebiet zu ziehen, da wird man leicht nervös.
Aber ihr habt uns das Leben auch ganz schön schwer gemacht.
Als wir nach Sardike kamen, fanden wir die versprochenen Lebensmittel nicht vor. Bei Philippopel sind wir von euren Truppen angegriffen worden, die dann allerdings Reißaus nahmen, wie bei jedem Zusammenstoß in jenen Monaten.«
»Du weißt, daß ich damals Statthalter von Philippopel war.
Wir bekamen widersprüchliche Anweisungen vom Hof. Einmal befahl uns der Basileus, die Stadtmauer auszubessern und einen Graben zu ziehen, um uns gegen euch zu verschanzen, und kurz darauf kam der Befehl, die Befestigungen zu schleifen, damit sie
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euch nicht als Unterschlupf dienen konnten.«
»Ihr habt die Engpässe mit gefällten Bäumen versperrt. Ihr habt unsere Leute überfallen, wenn sie isoliert auf der Suche nach Futter und Nahrung waren.«
»Ihr habt unsere Dörfer geplündert.«
»Weil ihr uns die versprochene Verpflegung nicht geliefert habt. Eure Leute ließen die Lebensmittel in Körben von den Mauern der Städte herab, aber sie mischten Kalk und andere giftige Substanzen ins Brot. Gerade als wir durch euer Gebiet zogen, bekam Friedrich einen Brief der ehemaligen Königin Sibylle von Jerusalem, die ihn warnte, daß Saladin, um den Vormarsch der Christen aufzuhalten, dem Kaiser von Byzanz vergiftetes Getreide geschickt habe sowie einen derart
verdorbenen Wein, daß ein Sklave von Isaakios, der ihn
vorkosten mußte, auf der Stelle tot umfiel.«
»Märchen.«
»Aber als Friedrich Gesandte nach Konstantinopel schickte, hat euer Basileus sie erst stehenlassen und dann eingesperrt.«
»Aber danach hat er sie zu Friedrich zurückgeschickt.«
»Als wir in Philippopel einzogen, fanden wir es verlassen, fast alle hatten sich aus dem Staub gemacht. Auch du warst nicht da.«
»Es, war meine Pflicht, mich einer Gefangennahme zu
entziehen.«
»Mag sein. Aber erst nachdem wir in Philippopel eingezogen waren, hat euer Basileus den Ton geändert. Denn dort sind wir den Armeniern begegnet.«
»Die Armenier betrachteten euch als Brüder. Sie sind
Schismatiker wie ihr, sie verehren die heiligen Bilder nicht, sie verwenden im Gottesdienst ungesäuertes Brot.«
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»Sie sind gute Christen. Einige von ihnen sprachen sofort im Namen ihres Fürsten Leo und sicherten uns Beistand und freien Durchzug durch ihr Land zu. Daß die Dinge jedoch nicht so einfach waren, haben wir
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