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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wie jener byzantinische Mönch, der vor einiger Zeit hier durchgekommen ist und nach jenem Reich gefragt hat, um dem Priester ich weiß nicht was für eine Reliquie
    zurückzubringen, die ihm geraubt worden sei. Dieser Mensch hatte eine verschlagene und treulose Miene, und er war
    zweifellos ein Häretiker, wie alle Griechen der Länder am Meer, denn er rief ständig die Allerheiligste Jungfrau Mutter Gottes an, und Nestorios, unser Vater und Licht der Wahrheit, hat uns gelehrt, daß Maria nur die Mutter des Menschen Christus war.
    Ich bitte euch, kann man je ernsthaft an einen Gott in Windeln glauben, an einen Gott im Säuglingsalter, an einen Gott am Kreuz? Nur die Heiden geben ihren Göttern eine Mutter!«
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    »Verschlagen und treulos ist dieser Mönch gewiß«, unterbrach ihn der Poet, »und ihr müßt wissen: diese Reliquie hat er uns gestohlen.«
    »Der Herr strafe ihn. Wir haben ihn weiterziehen lassen, ohne ihm etwas von den Gefahren zu sagen, in die er geraten würde, und so wußte er nichts von Abkasia, möge Gott ihn züchtigen, indem er ihn in jene Finsternis stürzt! Dort wird er sicher auch auf die Mantikore stoßen und auf die schwarzen Steine des Bubuktar.«
    »Freunde«, sagte der Poet halblaut, »diese Leute könnten uns viele wertvolle Dinge sagen, aber sie würden sie uns nur sagen, weil wir die Magier sind, und gerade weil wir für sie die Magier sind, halten sie es nicht für nötig, sie uns zu sagen. Wenn ihr mich fragt, wir sollten uns gleich aus dem Staub machen, denn wenn wir noch eine Weile mit ihnen reden, sagen wir
    womöglich irgendwas Dummes, und sie kapieren, daß wir nicht wissen, was die Magier wissen müßten. Leider können wir ihnen auch keinen Täuferkopf anbieten, denn Magierkönige, die mit Reliquien handeln, kann ich mir hier nicht gut vorstellen. Also sehen wir zu, daß wir verschwinden, sie mögen ja gute Christen sein, aber niemand sagt uns, daß sie milde mit Leuten
    umspringen, von denen sie sich verarscht fühlen.«
    So verabschiedeten sie sich eilends, nahmen viel Reiseproviant als Geschenk entgegen und fragten sich bang, was wohl dieses Abkasia sein mochte, in dem man so leicht zu Fall kommen konnte.
    Was die schwarzen Steine des Bubuktar waren, erfuhren sie bald. Zu Tausenden lagen sie auf dem Grund des gleichnamigen Flusses, und einige Nomaden, denen sie unterwegs begegnet waren, hatten sie gewarnt: wer diese Steine berühre, werde genauso schwarz wie sie. Ardzrouni meinte jedoch, es müßten sehr kostbare Steine sein, die von den Nomaden auf
    irgendwelchen fernen Märkten verkauft würden, und sie
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    erzählten dieses Märchen nur, um zu verhindern, daß andere die Steine nahmen. Er sprang auch gleich in den Fluß, um sich welche zu holen, und zeigte den Freunden, wie glattpoliert und vollkommen rundgeschliffen sie waren. Doch während er
    sprach, wurden sein Gesicht, sein Hals, seine Hände zusehends schwarz wie Ebenholz; er öffnete sein Gewand, und auch seine Brust war rabenschwarz, er entblößte Beine und Füße, und auch sie sahen aus wie verkohlt.
    Ardzrouni stürzte sich nackt in den Fluß, wälzte sich irr Wasser, schabte sich die Haut mit dem Kies am Grund.. Nichts zu machen, er war schwarz wie die Nacht geworden, und man sah nur das Weiß seiner Augen und das Rot seiner Lippen unter dem ebenfalls schwarzen Bart.
    Die anderen konnten sich kaum halten vor Lachen, während Ardzrouni ihre Mütter verfluchte, dann hoben sie an ihn zu trösten: »Wollten wir nicht, daß man uns für die Magier hält?«
    sagte Baudolino. »Na bitte, mindestens einer von ihnen war schwarz, und ich schwöre, daß einer der drei, die jetzt in Köln liegen, ein Mohr ist. Also wird unsere Truppe noch ein Stück glaubwürdiger sein.« Solomon ergänzte fürsorglicher, er habe von Steinen gehört, die die Hautfarbe ändern, aber es gebe auch Heilmittel, und sicher werde Ardzrouni bald wieder weiß werden, weißer denn je.
    »Jawohl, am Sankt-Nimmerleins-Tag«, feixte der Ciula, und sie mußten den unglücklichen Armenier festhalten, denn er wollte ihm ein Ohr abbeißen.
    Eines schönen Tages kamen sie in einen lauschigen Hain voll dichtbelaubter Bäume mit Früchten aller Art, durch den ein Fluß plätscherte, dessen Wasser weiß wie Milch war. Und in dem Hain taten sich grünende Lichtungen auf, mit Palmen und Weinstöcken voll herrlicher Trauben die Beeren groß wie Cedrolimonen. Auf einer dieser Lichtungen stand ein Dorf mit schlichten robusten Hütten aus geflochtenem

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