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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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war es nicht schwer zu begreifen, daß der junge Mann sich auf den ersten Blick in seine fast ebenso junge Stiefmutter verliebt hatte, nur daß er - da er sich zum ersten Mal verliebte - nicht wußte, was ihm da widerfuhr. Es ist ja schon ein blitzartig blendendes, umwerfendes Ereignis, wenn man sich als Bauernsohn zum ersten Mal in ein pickliges Bauernmädchen verliebt, um wieviel mehr also erst, wenn man sich als
    Bauernsohn zum ersten Mal in eine zwanzigjährige Kaiserin mit milchweißer Haut verliebt! Baudolino begriff sofort instinktiv, daß das, was er da empfand, eine Art Diebstahl am Eigentum seines Vaters war, weshalb er sich einzureden versuchte, er betrachte seine Stiefmutter aufgrund ihrer Jugend als eine Art Schwester. Aber dann wurde ihm klar, obwohl er nicht viel Moraltheologie studiert hatte, daß es auch nicht erlaubt war, eine Schwester in dieser Weise zu lieben - jedenfalls nicht mit diesem Erschauern und dieser heftigen Leidenschaft, die ihm der Anblick Beatrixens einflößte.
    Darum senkte er errötend den Kopf, und genau in diesem
    Augenblick streckte Beatrix, der Friedrich seinen Adoptivsohn Baudolino vorstellte (als einen ›sonderbaren und liebenswerten Wildfang der Poebene‹, wie er sich ausdrückte), zärtlich ihre Hand aus und streichelte ihm erst über die Wange und dann übers Haar.
    Baudolino schwanden beinahe die Sinne, ihm wurde ganz
    schwarz vor Augen, und die Ohren dröhnten ihm wie beim
    Läuten der Kirchenglocken zu Ostern. Was ihn wieder zu sich kommen ließ, war die schwere Hand Ottos, der ihm auf den
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    Nacken klopfte und zwischen den Zähnen flüsterte: »Auf die Knie, du Tölpel!« Er besann sich darauf, daß er vor der Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches stand, die auch Königin von Italien war, beugte die Knie, und von diesem Moment an
    benahm er sich untadelig wie ein perfekter Höfling, nur daß er nachts nicht schlafen konnte und, anstatt über dieses
    unerklärliche Damaskus-Erlebnis zu jubeln, wegen der
    unerträglichen Glut dieser unbekannten Leidenschaft weinte.
    Niketas betrachtete seinen löwenköpfigen Gesprächspartner, würdigte die Gewähltheit seiner Ausdrücke, seine
    zurückhaltende Rhetorik in einem fast literarischen Griechisch, und fragte sich, was für einen Menschen er da vor sich hatte, der imstande war, die Sprache der Bauern zu sprechen, wenn er von Dörflern redete, und die der Könige, wenn es um Herrscher ging. Ob er wohl eine Seele hat, fragte er sich, dieser Mensch, der seine Erzählung so zu formen weiß, daß sie verschiedene Seelen ausdrücken kann? Und wenn er verschiedene Seelen hat, durch den Mund welcher von ihnen wird er mir, wenn er spricht, jemals die Wahrheit sagen?
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    5. KAPITEL

    BAUDOLINO GIBT FRIEDRICH
    WEISE RATSCHLÄGE
    Am nächsten Morgen lag die Stadt fast vollständig unter einer dichten Rauchwolke. Niketas hatte ein wenig Obst gekostet, war unruhig im Turmzimmer umhergegangen und hatte dann
    Baudolino gebeten, einen der Genueser nach einem gewissen Architas zu schicken, der ihm das Gesicht pflegen sollte.
    Seh sich einer das an, dachte Baudolino, hier geht die Stadt in Flammen auf, die Leute werden auf der Straße niedergemetzelt, vor zwei Tagen mußte dieser Mann noch fürchten, seine ganze Familie zu verlieren, und jetzt will er, daß ihm jemand eine Gesichtspflege macht. Wie verwöhnt die Männer des Hofes in dieser verdorbenen Stadt doch sind - Friedrich hätte so einen längst hochkant aus dem Fenster geworfen.
    Nach einer Weile kam der erwähnte Architas mit einem Korb voll silberner Instrumente und kleiner Gefäße mit den
    überraschendsten Parfüms. Er war ein Künstler, der einem zuerst das Gesicht zur Entspannung in warme Tücher hüllte, dann daranging, es mit schmutzlösenden Cremes zu bestreichen, es zu reinigen und zu glätten, jede Unreinheit zu beseitigen und schließlich die Runzeln mit Schminke zu füllen, die Augen mit einem leichten Lidschatten zu versehen, die Lippen ein wenig zu röten, die Härchen in den Ohren zu schneiden, um nicht von dem zu reden, was er mit dem Bart- und Haupthaar machte.
    Niketas ließ alles mit geschlossenen Augen über sich ergehen, umschmeichelt von wissenden Händen, gewiegt von der Stimme
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    Baudolinos, der fortfuhr, seine Geschichte zu erzählen. Es war eher Baudolino, der sich von Zeit zu Zeit unterbrach, um zu fragen, was dieser Meister der Schönheit da gerade tat, zum Beispiel als er aus einem seiner Gefäße eine Eidechse holte, ihr den Kopf und den

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