Baudolino
genannt werden? Ich würde dich genauso lieben und ehren, wenn du einen schwarzen Bart hättest, aber da du nun mal einen roten hast, sehe ich nicht, wieso du solch ein Theater machen mußt, weil sie dich
Barbarossa nennen. Was ich dir sagen wollte, wenn du dich mich wegen dem Bart so aufgeregt hättest: Du kannst ganz ruhig bleiben, denn meiner Meinung nach werden die sich niemals
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alle gegen dich verbünden. Sie furchten nämlich, wenn sie siegen, wird einer von ihnen stärker als die anderen. Darum nehmen sie lieber dich. Wenn du sie's nicht allzu teuer bezahlen läßt.«
»Glaub dem Jungen nicht alles«, warf Otto lächelnd ein. »Er ist ein geborener Lügner.«
»O nein«, protestierte Friedrich, »was er über die italienischen Verhältnisse sagt, ist meistens sehr richtig. Zum Beispiel lehrt er uns gerade jetzt, daß unsere einzige Chance bei den italienischen Städten darin besteht, sie möglichst weit
auseinanderzudividieren. Nur wissen wir leider nie, wer auf unserer Seite steht und wer auf der anderen.«
»Wenn unser Baudolino recht hat«, sagte Rainald von Dassel spöttisch, »dann hängt die Frage, ob sie mit oder gegen uns sind, nicht von uns ab, sondern davon, welcher Stadt sie gerade eins auswischen wollen.«
Für Baudolino war es ein bißchen schmerzlich zu sehen, daß es diesem großen, starken und mächtigen Friedrich nicht gelang, die Denkweise seiner italienischen Untertanen zu verstehen.
Dabei verbrachte er mehr Zeit auf der Apenninenhalbinsel als in seinen deutschen Landen. Er mag meine Landsleute, sagte sich Baudolino, und er begreift nicht, warum sie ihn verraten.
Vielleicht ist das der Grund, warum er sie niedermetzelt. Er ist wie ein eifersüchtiger Ehemann.
In den Monaten nach ihrer Rückkehr hatte Baudolino jedoch wenig Gelegenheit, Friedrich zu sehen, da dieser erst einen Reichstag in Regensburg und dann noch einen in Worms
vorbereitete. Er mußte zwei sehr gefährliche Verwandte bei Laune halten, Heinrich den Löwen, dem er endlich das
Herzogtum Bayern gab, und Heinrich Jasomirgott, für den er eigens ein Herzogtum Österreich erfand. Im März des folgenden Jahres kündigte Otto seinem Zögling an, daß sie im Juni alle
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nach Würzburg gehen würden, wo Friedrich sich glücklich zu verheiraten gedachte. Der Kaiser war schon einmal verheiratet gewesen, hatte sich jedoch vor einigen Jahren von seiner Frau getrennt und wollte nun die Gräfin Beatrix von Burgund
heimfuhren, die als Mitgift ihre Grafschaft bis hinunter zur Provence einbrachte. Bei einer so großen Mitgift werde es sich gewiß um eine Vernunftehe handeln, dachten Otto und
Rahewin, und in diesem Geist machte sich auch Baudolino darauf gefaßt, am Arm seines Adoptivvaters eine ältliche Jungfer zu sehen, deren Reize eher in den Gütern ihrer
Vorfahren als in ihrer persönlichen Schönheit lagen.
»Ich gebe zu, ich war eifersüchtig«, sagte Baudolino zu Niketas.
»Da hatte ich nun seit kurzem einen zweiten Vater gefunden, und schon wurde er mir wieder, zumindest teilweise, von einer Stiefmutter genommen.«
Hier machte Baudolino eine Pause, zeigte eine gewisse
Verlegenheit, fuhr sich mit einem Finger über die Narbe und enthüllte dann die schreckliche Wahrheit: Als er nach Würzburg kam, entdeckte er, daß Beatrix von Burgund ein zwanzigjähriges Mädchen von außerordentlicher Schönheit war - zumindest kam sie ihm so vor, und kaum hatte er sie erblickt, konnte er keinen Muskel mehr rühren und starrte sie mit aufgerissenen Augen an.
Sie hatte golden glänzendes Haar, ein makellos schönes Gesicht, der Mund klein und rot wie eine reife Frucht, die Zähne weiß und regelmäßig, die Haltung aufrecht, der Blick bescheiden, die Augen klar. Züchtig und zugleich gewinnend in ihrer Rede, zarten Leibes und feingliedrig, schien sie im Glanz ihrer Anmut alle zu beherrschen, die sie umgaben. Sie verstand es - höchste Tugend für eine künftige Herrscherin -, ihrem Gatten untertan zu erscheinen, indem sie vorgab, ihn als ihren Herrn und Gebieter zu fürchten, aber sie war seine Herrin, wenn es darum ging, ihm ihren Willen als Gattin zu bekunden, was sie mit
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solcher Grazie tat, daß jede ihrer Bitten sogleich Gehör fand, als wär's ein Befehl. Wollte man noch etwas zu ihrem Lob
hinzufügen, so könnte man sagen, sie war geübt im Lesen und Schreiben, gewandt im Musizieren und bezaubernd im Singen.
So daß, schloß Baudolino, der Name Beatrix wirklich
hervorragend für sie paßte.
Für Niketas
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