Bauern, Bonzen und Bomben
Etwas fällt ihm ein. Er schiebt sich zurück, erreicht nach Verhandeln, daß er durch die Sperrkette gelassen wird.
Dort steht Assessor Meier, im Kreise von sechs, acht Herren. Tredup legt ihm die Hand auf die Schulter. »Entschuldigen Sie, Herr Assessor. Aber wir haben die Bilder ganz vergessen. Hier sind sie.«
Und der Regierungspräsident, entsetzt: »Aber, Herr Assessor, ich verstehe Sie einfach nicht! Wenn man nur einmal was nicht selbst macht …«
3
Auf der Straße von Stolpe nach Gramzow fährt durch den hellen Sommervormittag ein Motorrad. Georg Henning steuert es, der Vertreter aus Berlin in Melkmaschinen und Zentrifugen. Siebzig Kilometer Fahrt hat er darauf und die Aufgabe dazu, schneller zu sein als ein Telefongespräch, das in jeder Minute die Verhaftung des Gemeindevorstehers Reimers dem Landjäger in Haselhorst anbefehlen kann.
Aber er rechnet mit der Verwirrung in Stolpe, er hofft, rechtzeitig bei Reimers zu sein. Er ist immer rechtzeitig gewesen in solchen Fällen.
Die Straße hebt sich, senkt sich, hebt sich. Eine Kurve. Und wieder: auf – ab – auf. Knicks. Felder. Wiesen. Weiden. Ein paar Bäume. Eine Ecke Wald. Felder. Ein Dorf. Und wieder freie Fahrt.
Unklar denkt Henning: Das Leben läßt sich gut an. Ich fühle mich.
Haselhorst!
Er weiß nicht, in welchem Hause der Oberlandjäger wohnt, aber er hält scharf Ausschau nach dem Schild mit dem gerupften Geier. Vielleicht sieht er ihn. Alles ist still im Dorf, kaum ein Mensch zu sehen, auch der Bahnhof liegt ausgestorben.
|68| Treffe ich den Gendarm auf seiner Tretkarre kurz vor Gramzow, rassele ich ihn einfach über den Haufen, denkt Henning. Franz Reimers muß Zeit haben, Sachen zu packen, sich mit Geld zu versorgen, Papiere zu zerreißen.
Etwas später: Sachen packen kann fortfallen. – Den Stuff muß ich am Abend unbedingt noch erwischen. – Und dann zur »Bauernschaft«. Die sind bis acht oder neun auf der Redaktion. Dann zum Thiel. Na, ihr werdet staunen heute nacht, ihr Stolper!
Die ersten Häuser Gramzows tauchen vor ihm auf. Im Vorbeisausen schaut er in die Hecken, in den Graben, ob dort noch Stroh hängt. Kaum noch etwas zu sehen. Helleres Gras ist nachgewachsen, wo das Strohfeuer sengte. Hier nahm es seinen Anfang. Wartet, ihr Bonzen, ich will euch schon …
Endlich der Hof. Er lehnt das Rad gegen das Stallgebäude, springt eilig die Stufen zum Haus empor. Im dunklen Vorraum prallt aufkreischend eine Magd zurück. »Sachte, Marie«, ruft er, faßt sie um und drückt ihr einen Kuß auf.
Dann klopft er kurz und tritt in die Stube des Bauern.
Es ist nicht mehr die Vorkriegsstube mit Mahagonimöbeln, Säulchen und Muschelaufsatz und einem spiegelgeschmückten Vertiko. Es ist das Bauernzimmer aus der Inflationszeit. Schwere, moderne Möbel mit unruhigen Maserungen, große Klubsessel, ein Ledersofa, ein Schreibtisch, eine Bibliothek, aus deren Mittelabteil ein Gewehrschrank wurde.
Der Bauer sitzt in seinem großen Schreibtischstuhl und raucht nach dem Mittagessen langsam seine Zigarre. Vor ihm steht Kaffee und Kognak.
Er grüßt: »Tag, Georg.«
»Tag, Franz. Ah, du hast Kaffee. Laß mir auch eine Tasse geben. Und wenn du noch Mittagessen hast …«
Der Bauer geht hinaus und sagt Bescheid. Die Tasse bringt er selbst mit. »Da. Misch dir, wie du magst.« Und während Henning die Mischung vollzieht: »Es läßt sich gut an, in diesem Jahr zur Heuernte.«
|69| »Ach leck! Es läßt sich schlecht an in diesem Jahr mit dem Melkmaschinengeschäft. – Übrigens wirst du heute noch verhaftet.«
Der Bauer sieht auf seine Zigarre. »Wegen der Ochsen?«
»Ja, wegen der.«
»Also hat das Aas von der ›Chronik‹ doch Bilder gemacht?«
»Hat er«, bestätigt Henning.
»Man hätte mehr Geld bieten müssen.«
»Weiß ich. Aber auf Stottern hätt er die Bilder nicht verkauft.«
»Immer das Geld. Wir wären zehnmal weiter … na ja …«
Der Bauer geht auf und ab, auf und ab. Raucht. Die Magd kommt, stellt auf den Schreibtisch das Essen, verschwindet. Henning beginnt zu essen, langsam, mit Genuß. Einmal steht er auf, holt sich selbst aus der Küche Senf, man hört draußen die Mägde juchzen. Der Bauer geht auf und ab.
Schließlich ist Henning fertig, er gießt sich noch einen Kaffee ein, trinkt, brennt eine Zigarette an. »Willst du eigentlich nicht packen, Franz?«
»Nein.«
»Oder für Geld sorgen? Oder Papiere verbrennen?«
»Bei mir können die immer kommen.«
»Richtig.«
»Wieso weißt du es überhaupt, und
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