Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
begann. »Was soll das hier?«
»Es tut mir leid, was mit Ihrem Vater geschehen ist, und ich verstehe die Trauer, die Sie empfinden, aber es ist unumgänglich, dass ich Sie in dieser Situation befrage, denn ich habe einen Mörder zu fassen, und das duldet keinen Aufschub.«
Görgen ignorierte die Argumente und hob unwillig die Hände, wobei seine schwere, teuer aussehende Uhr an die Stuhllehne klackte. »Wieso geben Sie mir nicht einmal die Zeit, meine Geschwister anzurufen und mich selbst zu fangen? Ihr Kollege taucht auf und fordert mich auf mitzukommen. Wie einen Kriminellen.« Unterdrückte Wut lag in seiner Stimme.
»Wie gesagt, wir müssen ein Verbrechen aufklären. Das hat Priorität vor allem anderen. Lassen Sie uns anfangen. Wann haben Sie Ihren Vater zuletzt gesehen.«
»Gestern Abend, so gegen halb sieben. Wir hatten Streit. Das sage ich Ihnen gleich, denn die Leute in der Metzgerei haben herumgestanden, das Ganze mitbekommen und werden ohnehin tratschen.« Sein Ton troff vor Verachtung.
»Worum ging es bei Ihrer Auseinandersetzung?«
»Da müsste ich weit ausholen, damit Sie den Kern des Problems verstehen.«
»Versuchen Sie’s.«
»Ach, im Prinzip immer das alte Lied.« Er tappte mit den dicken Arbeitsstiefeln einen unregelmäßigen Takt auf dem Boden. »Wir gehören dem Bioland Verband an, der uns schwere Auflagen macht und laufend kontrolliert. Das schlägt auf die Wirtschaftlichkeit, da wir geringere Erträge haben als konventionelle Bauern, die Subventionen aber fast gleich sind. Ich will einfach nur auf die weniger strenge EU-Bioverordnung runter. Wir könnten dann unsere Hühnermast und den Legebetrieb deutlich ausweiten und auch stärker in die Schweinezucht einsteigen. Außerdem hat man mehr Möglichkeiten bei der Schädlingsbekämpfung und Düngung. Doch mein Vater ist schon seit den späten Siebzigerjahren bei Bioland und hat sich immer wieder quergestellt.«
»Worum ging es gestern Abend?«
Görgen rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Wir sollten aufpassen, die Auflagen nicht zu verletzen.«
»Inwiefern?«
»Das ist nicht wichtig.«
»Ich kann auch die Mitarbeiter fragen.«
Der Bauer verdrehte die Augen und wurde laut: »Mann, was hat das denn mit dem ganzen Scheiß zu tun? Sie wühlen an der falschen Stelle. Glauben Sie, ich bringe meinen Vater wegen eines lausigen Streits um?«
»Vielleicht war es der eine zu viel. Hören Sie: Wir sind Außenstehende und setzen uns aus vielen Informationen ein Bild der Situation zusammen, ohne das wir den Täter nicht fassen können. Im Moment ist daher alles relevant.«
»Er hatte festgestellt, dass pro Hektar ein lächerliches Pfund Stickstoff zu viel ausgebracht worden ist. Bei der von uns bewirtschafteten Ackerfläche macht das einhundert Kilo aus. Das war keine Absicht. Aber bei den miesen Böden, die wir hier teilweise haben, muss man dicht am Wind segeln, um einen auskömmlichen Ertrag zu machen. Der Mitarbeiter hatte sich verzählt und einen Sack mehr in den Düngewagen geworfen. Das ist nichts, doch Vater musste gleich durch die Decke gehen. Schreit vor den Leuten mit mir rum, gerade so, als wär ich sein Knecht.«
»Wo waren Sie gestern Abend nach dem Streit?«
Görgen lehnte sich vor und starrte Lichthaus mit kaum beherrschter Wut an: »Soll das ein Witz sein?«
Die Tür ging auf, und Siran schaute herein. »Wir sind vorerst fertig und wollten fragen, ob du kurz rüberkommen kannst?«
»Gleich, Siri. Ich brauche aber noch einen Augenblick.« Er wandte sich wieder Görgen zu. »Sie haben doch heute Morgen im Stall Ihren Vater gesehen. Das war keine kaltblütige Hinrichtung, sondern eine emotionsgeladene Tat. So etwas kommt aus dem Umfeld, und da gehören Sie nun einmal dazu. Zumal Sie zugegebenermaßen Unstimmigkeiten mit ihm hatten. Also, wo waren Sie gestern Abend?«
Görgen schnauzte: »Zu Hause bei meiner Frau und den Kindern. Die können Sie befragen, wenn es Ihnen dann besser geht. Wir wohnen in dem Neubau am Rand der kleinen Siedlung dort drüben.« Er spuckte die Worte praktisch auf die Tischplatte und lehnte sich mit funkelnden Augen nach vorne. »Eins sollten Sie aber wissen. Ich hatte meine Differenzen mit Vater, denn er war nicht einfach. Hat sich manchmal aufgespielt wie ein Großgrundbesitzer, und ich musste die Arbeit machen. Ohne mich sähe es hier nicht so aus. Doch ich habe ihn mein ganzes Leben lang bewundert. Im Studium hat er gegen den Staat protestiert und war dabei unnachgiebig. Später ist
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