Bauernsalat
erklären, was mich dazu trieb, mich weiter in diese Sache hineinzubegeben. Vielleicht war es das Bedürfnis, die Dinge abzuschließen. Die Dinge abzuschließen, bevor ich das Sauerland verließ.
29
Wie immer im Leben lief alles anders als geplant. Die Sache mit Josef Koslowski zum Beispiel war mir ’ganz einfach von der Hand gegangen’, wie man so schön sagt. Ich hatte hin und her überlegt, wie ich mich ihm annähern konnte, ohne allzu großes Mißtrauen zu erwecken. Und dann war dieser Telefonanruf gekommen. Max hatte sich nämlich gemeldet, um zu erzählen, daß er der sauerländischen Heimat ein weiteres Stück näher gekommen sei. Er halte sich jetzt in Münster auf, bei einem ehemaligen Kommilitonen aus seiner Jura-Studienzeit, und werde bald zurückkommen. Im stillen hatte ich geschmunzelt. Ich sah es als Riesenfortschritt an, daß Max ganz locker über seine Studienzeit sprach, nachdem er früher über alles geschwiegen hatte, was auch nur annähernd mit dieser Zeit zu tun gehabt hatte. Seit den Ereignissen, die ihn als Studenten so sehr aus der Bahn geworfen hatten, hatte er still und in sich gekehrt vor sich hingelebt. Seit Jahren hatte er sich durch Taxifahren finanziert, ohne sich die Frage zu beantworten, ob er das wirklich wollte. Außerdem hatte Max nie von einer Beziehung erzählt – all das Auswirkungen einer »Schuld, die ihn nie verlassen würde«, wie Max selbst gesagt hatte. Dann irgendwann war eine Wende eingetreten. Als Folge einer lebensbedrohlichen Situation hatte Max sich der Vergangenheit gestellt, und er hatte für sich befunden, daß er mit seinem Leben noch etwas anfangen wollte.
»Ich mache mir jetzt noch einen schönen Tag in der Stadt und komme dann morgen«, erklärte Max. »Ich meld mich bei dir, sobald ich da bin.«
»Falls man sich in Münster einen schönen Tag machen kann, tu das«, hatte ich etwas schnoddrig geantwortet. »Ich könnte dir jetzt die Vorteile Kölns aufzählen, aber als westfälisches Kaltblut würdest du das sicher nicht zu schätzen wissen. Im übrigen – halt!« sagte ich und unterbrach mich selbst. »Du bist in Münster.«
»In der Tat. Ich glaube, das sagte ich bereits.«
»Das ist ganz phantastisch.«
»Danke, falls das so eine Art Kompliment sein soll. Aber wenn ich mich nicht irre, hast du das eben noch ganz anders gesehen.«
»Du bist in Münster«, wiederholte ich nachdenklich. »Dann mußt du für mich etwas erledigen!«
»Aha!«
Und dann erzählte ich. Von Elmar Schulte-Vielhaber und dem Verbrechen auf dem Hof, von Maria Scholenski und ihrem Sohn Josef. Wann Maria aus Renkhausen weggegangen war und warum uns der Sohn jetzt interessierte. Lang und breit erzählte ich alles, was Max wissen mußte, um Josef Koslowski auszuquetschen.
»Wir wissen nicht genau, wie alt Josef ist«, erklärte ich. »Womöglich ist er gar nicht ein Kind aus Maria Scholenskis Ehe, sondern der leibliche Sohn von Franz Schulte-Vielhaber. Ein Grund mehr, Haßgefühle zu entwickeln.«
Max schien sich am anderen Ende Notizen zu machen. Ein braver Detektiv, ich würde ihn zu meinem offiziellen Assistenten machen.
»Du tust einen Dienst an der Menschheit, wenn du was rauskriegst«, schwadronierte ich pathetisch.
»Ich tue dir bestenfalls einen Gefallen«, grunzte Max in der ihm eigenen Art. Auch eine in jeder Hinsicht inspirierende Weltreise hatte ihm die nicht abgewöhnen können.
»Egal, warum du es tust – Hauptsache, du findest was raus!«
Max hatte versprochen sich zu melden, falls er etwas herausgefunden hatte. Spätestens am nächsten Tag sollte ich von ihm hören.
Danach war ich nach Renkhausen gefahren, um mit Elmar zu sprechen – mit Elmar und seiner Mutter. Und auch da war alles anders gekommen. Kurz, bevor ich den Feldweg zum Hof befahren konnte, war mir ein Polo entgegengekommen, der Schulte-Vielhaber’sche Polo, der sonst auf dem Hof stand. Am Steuer Elmars Mutter.
Vielleicht war es der Blick, den Hannah Schulte-Vielhaber in den Rückspiegel warf, gerade als sie an mir vorbeifuhr, vielleicht war es auch mein untrügliches kriminalistisches Gespür. Auf jeden Fall bog ich in die Zufahrt zum Hof nur ein, um meinen Wagen zu wenden. Danach gab ich Vollgas und heftete mich in ausreichendem Abstand an Hannahs Auto. Ich wurde ein wenig aufgeregt. Nicht umsonst guckte ich abends hirnrissige Krimiserien aus den 70er Jahren. Darin war es üblich, daß die Detektive mit Schlaghosen und einem dämlichen Grinsen im braun gebrannten Gesicht ihren
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