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Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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willst auf die Sache mit dieser Magd hinaus«, Herr Schnittler sah seine Tochter mit gerunzelter Stirn an. »Vor Ewigkeiten gab es das Gerücht, das gebe ich zu, aber ich habe nie geglaubt, daß da was dran ist. Ich bin um einiges jünger als Franz Schulte-Vielhaber. Die Geschichte damals habe ich mitgekriegt, als ich noch ein halber Junge war.«
    Alexa ließ die Sache auf sich beruhen und lehnte sich zurück. Es schien tatsächlich so zu sein, daß weite Teile des Dorfes von der Vergewaltigungsgeschichte nichts Rechtes mitbekommen hatten. Die Sache war ganz offensichtlich totgeschwiegen worden.
    »Um nochmal auf den Krieg zurückzukommen«, knüpfte ich wieder an. »Die Söhne haben den Hof also ganz gut herübergebracht?«
    »Das kann man wohl sagen. Der Hof hatte ja schon immer eine gewaltige Größe, und durch den Schwarzmarkthandel nach dem Krieg werden die Schulte-Vielhabers wohl nicht ärmer geworden sein.«
    »Haben sie viel gehandelt?«, wollte Alexa wissen.
    »Wer viel hat, kann viel abgeben«, sagte ihr Vater lapidar. »Der Paul hat mal in der Schule erzählt mit ihrer Bettwäsche könnten sie alle Äcker abdecken. Einige Bauern haben damals wirklich alles genommen. Teppiche, Wäsche, Möbel und vor allem Schmuck. Es würde mich nicht wundern, wenn Schulte-Vielhaber mehr in seinen Schatullen hätte als die Königin von England.«
    »Aber hier auf dem Land hatten die Leute doch meist selbst noch ein paar Tiere, auch wenn sie Handwerker waren«, gab Alexa zu bedenken. »Ein Schwein, eine Kuh, drei Hühner, die meisten waren doch Selbstversorger, wenn auch arme.«
    »Das stimmt, die meisten sind auch nach dem Krieg mehr schlecht als recht zurechtgekommen. Aber die Leute aus der Stadt, die waren wirklich arm dran. Und die kamen bis hierhin aufs Land, um tauschen zu können. Das halbe Ruhrgebiet wird im Krieg einmal hier gewesen sein, um etwas einzutauschen.«
    »Gut, daß die Zeiten vorbei sind«, sagte Alexa und kuschelte sich in ihre Jacke.
    »Gibt es für diese Geschichte eigentlich auch zwei Versionen«, fragte ich, »ich meine, haben Sie dafür ein gutes und ein trauriges Ende?«
    »Nein, für den Krieg habe ich nur eine Version«, Alexas Vater lehnte sich ebenfalls in seinem Stuhl zurück. »Über den Krieg erzähle ich nichts als die Wahrheit.«

27
    Alexa wußte nicht mehr ein noch aus. Sie hatte das Gefühl, sie mache alles falsch und wußte doch nicht, was sie anders machen sollte. Wie Vincent sie angeschaut hatte. Es war schwierig zu bestimmen, was in seinem Blick alles mitschwang. Unverständnis natürlich, Angst und auch Verzweiflung. Und als sie dann weitergesprochen hatte, nur noch Ungläubigkeit. Was hätte er auch denken sollen, wenn sie aus heiterem Himmel damit um die Ecke kam? Sie sei körperlich ziemlich am Ende, hatte sie gesagt, der Job sei so anstrengend gewesen in den letzten Wochen, eigentlich habe sie sich auch nur deswegen häufiger freigenommen in den vergangenen Tagen. Überhaupt sei sie in einer ganz seltsamen Stimmung. Sie müsse über so viele Dinge nachdenken, vor allem über ihre Beziehung, ihre Zukunft. Sie würde ganz plötzlich alles in Frage stellen, sie wisse auch nicht, warum. In Wirklichkeit war sie die ganze Zeit kurz davor gewesen, in Tränen auszubrechen, sich an Vincents Hals zu schmeißen und zu fragen, wie es weitergehen solle. Doch sie war nicht in Tränen ausgebrochen, auch wenn sie das ihre gesamte Selbstbeherrschung gekostet hatte. Vincent hatte immer wieder gefragt, warum, warum denn nur. Ob er etwas falsch gemacht habe. Ob es einen anderen Mann in ihrem Leben gebe. Ob sie sich in ihrer Freiheit eingeschränkt sehe. Irgendwann hatte er dann gar nichts mehr gesagt, sondern nur noch geguckt, mit einem Blick, in dem so vieles war. Erst am Ende, als sie das Auto endgültig verließ, hatte er noch ein paar Worte gemurmelt. »Ich verstehe das alles nicht«, hatte er gesagt. »Dieses Leben und den Herbst, die Fragen und die Frauen, ich verstehe gar nichts.« Alexa hatte sich nicht mehr umgedreht, denn dann hätte sie garantiert losgeheult Sie war einfach gegangen ohne einen weiteren Blick oder ein weiteres Wort. Sie war in ihre Wohnung gestiefelt, hatte sich auf ihr Bett gelegt, und dann hatte sie wirklich geheult, wie ein Schloßhund hatte sie geheult.
    Kurze Zeit später war sie eingeschlafen und erst wieder wach geworden, als das Telefon klingelte. Zunächst hatte sie erwogen, gar nicht dran zu gehen. Es war Vincent, da war sie sich sicher, und schon wieder

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