Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
uns Mme Cuchon, »aber betet für das Beste. Wir haben vom Lycée aus Penelopes Familie zu Hause kontaktiert.« Mme Cuchons Blick huscht kurz zu den anderen Lehrern hinüber, »und wir haben auch mit ihrer Gastfamilie gesprochen, den Marquets. Wie ihr vielleicht wisst, bekleidet Monsieur ein offizielles politisches Amt in der Dordogne südlich von Paris, und dadurch sind die Medien möglicherweise noch interessierter an der Geschichte als ohnehin schon. Aus diesem Grund führen die Marquets ihre Nachforschungen in Bezug auf PJ größtenteils von ihrem dortigen Wohnsitz und nicht von Paris aus, zum Schutz ihrer Intimsphäre. Ich weiß, dass beide Familien euer Beileid wertschätzen, aber es ist sicher besser, wenn wir sie in dieser schwierigen Zeit nicht belästigen.«
Olivias Augen weiten sich, während sie Kopf und Hals ganz ruhig hält.
»Wir warten alle auf Neuigkeiten. Bis dahin werden wir, fürchte ich, mit unserem Programm in gewohnter Weise weitermachen müssen. Bitte sprecht nicht mit der Presse darüber. Leitet alle Fragen, die an euch herangetragen werden, an das Lehrpersonal weiter. Wir wollen nicht öffentlich reagieren, ehe wir nicht irgendwelche Antworten von der Polizei bekommen haben. Ich will keine -«, Mme Cuchons Stimme bricht, »falschen Hoffnungen wecken. Aber für die Polizei ist der Fall noch nicht abgeschlossen. Und für das Lycée auch nicht. Comprenez-vous? Versteht ihr?«
* * *
»Alex!«, begrüßt mich Mme Sanxay, nachdem sie den Türsummer betätigt hat und ich in ihr Apartment in der Rue de Fleurus in den vierten Stock zu Fuß hochgelaufen bin. Als sie mir die Tür aufmacht, trägt sie schon ihren Wollmantel und einen dazu passenden Glockenhut. Sie hat eine Nase, die meine Mom gallisch nennen würde, markant, aber hübsch, und teuer frisiertes, wenn auch ungekämmtes dunkles Haar. Genau wie beim letzten Mal scheint sie es kaum bändigen zu können. »Du bist zu spät! Deine Mutter hat mir gesagt, dass du um halb drei kämst. Il es trois heures maintenant.«
»Desolée«, murmle ich. »Es war fast nicht möglich, aus der Schule rauszukommen. Die Reporter ...« Ich schüttle den Kopf. Unaufhörlich frage ich mich, ob Sara-Louise das Recht hat, auf uns wütend zu sein. Wollen das auch die Reporter wissen? Wie es kommt, dass man einer Freundin in Not nicht hilft? Wie wir glauben konnten, ganz allein mit der Sache fertigwerden zu können?
»Ah, das verschwundene Mädchen«, sagt Mme Sanxay, nimmt mir meinen Mantel ab und hängt ihn auf einen Ständer, neben mehrere kleinere Mäntel. »Die sich selbst umgebracht hat. Hat sie sich etwa auch gerade scheiden lassen?«
Ich zucke zusammen, und erst nach einer Weile verstehe ich, was sie meint. Mme Sanxay, die nicht mal merkt, wie unangemessen ihr Scherz ist, fährt ungerührt fort: »Eine Scheidung ist die Hölle. Deine Mutter hat das auch schon durchgemacht, n'est-ce pas? Also weißt du ja, wie das ist. Versuch meinen Kindern, da durchzuhelfen. Ich fürchte, ich selbst kann ihnen im Augenblick - emotional - nicht viel geben. Ich bin momentan voll damit beschäftigt, auf mich selbst aufzupassen. Deshalb brauche ich deine Hilfe so dringend, auch wenn ich bisher nicht gerade den besten Eindruck von deiner Arbeitsmoral hatte. Kurz gesagt: Ich brauche dich, Alex. Ich muss mir unbedingt mehr Zeit für mich selbst verschaffen.«
Als ich Mme Sanxay in die Diele folge, springen hinter uns zwei Kinder die Treppe hoch, ein Mädchen und ein Junge in maßgeschneiderten Schuluniformen. Sie kreischen so laut, dass man nicht versteht, was sie sagen, aber als sie mich in ihrer Wohnung sehen - eine Fremde -, verstummen sie abrupt.
Wie Zeichentrickfiguren machen sie große Stielaugen.
Wenn sie doch nur wirklich Zeichentrickfiguren sein könnten! Am besten Bleistiftzeichnungen, die jederzeit ausradierbar sind, wenn einem danach zumute ist.
»Ah, Alex, c'est mon fils Albert, et ma fille Emeline. Mes poupées, dites bonjour à votre au pair, Alex.«
Bitte langsamer, möchte ich ihr am liebsten sagen. Ich bekomme nur mit, dass sie mich ihnen vorstellt. Aber ich verstehe weder ihre Namen noch irgendetwas anderes von dem, was sie gesagt hat.
»Jetzt muss ich aber wirklich los, mes petits «, sagt Mme Sanxay im Säuselton zu den Kindern, dann streicht sie sich vor dem Spiegel die Haare glatt. »Charles liegt in seinem Bettchen und schläft. Wenn ihr leise seid, schläft er noch länger, okay?« Mit diesen Worten zieht sie sanft die Tür hinter sich zu.
»Où
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