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Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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der Ecke ziehe ich ein kleines Kinderstühlchen hervor und hocke mich darauf. Das kleine Mädchen kauert sich vor mich hin und legt ihren Kopf in meinen Schoß.
    Eine gefühlte Ewigkeit bleibe ich absolut reglos sitzen, hocke wie eine erstarrte Statue auf diesem viel zu kleinen Stühlchen, bis ich endlich Mme Sanxays Schlüssel in der Wohnungstür höre und mit einem erleichterten Stöhnen ausatme.
    Alle drei Kinder sind eingeschlafen. Ohne das kleine Mädchen aufzuwecken, wische ich mir die Tränen der Angst und des Ekels aus dem Gesicht und hebe vorsichtig ihre Wange von meiner Jeans.
    Ich sammle Tasche und Mantel ein und sage kaum Auf Wiedersehen zu Mme Sanxay, die deutlich frischer aussieht, nachdem sie nun den Nachmittag allein verbracht und mal etwas Zeit für sich hatte.
    Den ganzen Weg vom 6. Arrondissement bis zum Place Cambronne gehe ich zu Fuß. Als ich dabei am Le Bon Marche vorbeikomme, in dessen Schaufenstern Frühlingsschals wallen und hinter deren Kunden eine dicke Parfümwolke herweht, wenn sie aus der Tür kommen und die Straße entlanggehen, würge ich, als ich daran denke, dass ich in Läden wie diesen mein Leben auf königliche, unsinnige Weise ruiniert habe. Le Bon Marche, einst für mich ein Hort des guten Geschmacks und schöner Stoffe, erscheint mir nun im Licht meines neuen Nachmittagsjobs absolut grauenhaft. Diesen Nachmittag werde ich sicher lange nicht vergessen.
    Als diese Kinder - so plötzlich und vereint - geweint haben, hätte ich am liebsten mitgeweint. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass jemand mich tröstete.

 
3 • OLIVIA
    Nicht für Kinder
    »Bonjour, ma petite Olivia «, ruft mir Mme Rouille heiter aus der Küche zu, als ich mit ihren Zwergpudeln an der Leine hereinkomme. Irgendwie ist das Gassigehen mit diesen Hunden sogar noch anstrengender als eine Tanzprobe.
    In dem Apartment riecht es widerlich nach Pfefferminze.
    »Möchtest du auch eine Tasse Tee?«, fragt sie, als ich die Küche betrete.
    »Nein«, antworte ich, während ich die Pudel von der Leine lasse. Sofort laufen sie zu ihrem richtigen Frauchen und schnüffeln an ihren Schuhen. »Keine Zeit. Ich bin schon spät dran.« Ich gehe in mein Zimmer, um mich der Jogginghose zu entledigen, die ich mir extra für den Spaziergang mit den Hunden angezogen habe. Als ich in aller Eile die Türen meines Kleiderschranks aufreiße, überlege ich kurz, was ich anziehen soll, aber dann denke ich, dass es eigentlich gar nicht so wichtig ist.
    Zurzeit ist es so kräftezehrend, zu versuchen, sich angesichts eines bevorstehenden Tages schön zu machen oder so auszusehen, als ob man sich auf ihn freue. Eigentlich möchte ich nur eins: auf keinen Fall frieren. Warum halten die Pariser ihre Gebäude nur so kühl? Und warum sind auch die Menschen selbst so unerträglich kühl?
    Dabei denke ich an einen Menschen im Besonderen. Wie konnte mein ganzes Leben so auf diese eine Person zulaufen, meine einzige Freude und mein einziger Trost? Thomas.
    Mit Vince ist es nie so gewesen.
    Ich beschließe kurzerhand, einfach meine alte Jogginghose anzubehalten. Ich ziehe einen Anorak an, den ich ganz hinten im Schrank finde, und gehe aus dem Apartment, ohne Mme Rouille Auf Wiedersehen zu sagen.
    Seltsam, wie unterschiedlich Menschen auf Katastrophen reagieren. Ein paar Mädchen aus der Schule sind dauernd den Tränen nahe, schniefen und rennen entschuldigend aus der Klasse. Viele der Jungs, zu denen auch Zack gehört, sind dagegen einsilbig und wortkarg. Alex ist scheu geworden, sie setzt sich nicht einfach dorthin, wo sie sitzen will, sondern wählt ihren Platz sorgfältig danach aus, wo sie am wenigsten Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mme Cuchon redet und redet wie ein Wasserfall, auch wenn das eigentlich nichts Ungewöhnliches ist. Aber seit Neuestem taucht sie oft unangekündigt in unseren Kursen auf, um uns Zuspruch zu geben und uns daran zu erinnern, dass wir auf keinen Fall mit der Presse, die vor dem Lycée ihr Lager aufgeschlagen hat, sprechen sollen.
    Und ich? Bisher bin ich nicht in Tränen zerflossen. Ich hasse mich dafür, aber seit PJ für so gut wie tot erklärt wurde, bin ich in einer schrecklichen Verfassung, wie eine alte Hexe in einer Höhle. Ich bin nicht traurig - sondern sauer. Wenn man mich bedrängt, weine ich nicht, sondern schreie laut. Eine sehr merkwürdige Reaktion.
    Bestimmt bin ich nur betäubt, sage ich mir selbst. Irgendwann werden die Tränen schon fließen. Mein ganzer Körper fühlt sich an wie ein Damm,

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