Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
ihrem Handy an. Die Nummer kann ich inzwischen auswendig, so oft habe ich es gestern bei ihr probiert.
Diesmal geht sie tatsächlich ran.
»Wo sind Sie?«, frage ich sie und lasse meine Wut die Oberhand gewinnen, ohne noch daran zu denken, dass ich gestern in ihrer Wohnung eine riesige Party gefeiert habe. Meine Hände zittern heftig, während ich versuche, mir das Telefon ans Ohr zu halten. »Sie können mich doch nicht einfach vierundzwanzig Stunden mit den Kindern allein lassen, ohne vorher auch nur mal zu fragen! Ohne mich anzurufen und mir mitzuteilen, dass es sich um einen Notfall handelt.«
Mme Sanxay räuspert sich. »Ich war gestern in keiner guten Verfassung, Alex. Dir ist sicher nicht entgangen, dass es zu Hause im Moment nicht gut läuft -«
»Was für eine Scheiße!«, unterbreche ich sie und wechsle den Hörer an mein anderes Ohr. Mein ganzes Gesicht und mein Hals fühlen sich so erhitzt an, dass ich ebenso gut am Französischen Nationalfeiertag in Saint Tropez sein könnte. »Aber Ihre Kinder sind hier. Es sind Ihre Kinder. Sie sind nicht nur biologisch mit ihnen verbunden, sondern auch per Gesetz. Sie kommen also sofort zurück!«
»Du verstehst nicht«, erklärt mir Mme Sanxay. »Du verstehst das einfach nicht. Du bist ja selbst noch ein halbes Kind. Außerdem schuldest du mir die Stunden.«
»Nein! Nein!«, kreische ich. Ich könnte glatt Emelines Puppen aus den Regalen fegen, so aufgebracht bin ich. »Sagen Sie mir nicht, dass ich das nicht verstehe! Was gibt es denn da zu verstehen? Ihre Ehe ist zu Bruch gegangen und jetzt lassen Sie es an ihren Kindern aus. Sie lassen sie ganz allein und das ist absolut nicht in Ordnung!« Jetzt brülle ich richtig. Zack steckt kurz den Kopf in die Tür, in seinem Gesicht spiegelt sich eine Mischung aus Angst und Neugier. Er macht die Tür zu, damit die Kinder nicht hören können, wie ich ihre furchtbare Mutter anschreie. »Sie kommen jetzt sofort zurück zu Ihren Kindern, und wenn ich Sie höchstpersönlich holen muss!«, fauche ich sie am Telefon an. »Ist Ihnen eigentlich klar, wie sehr es die Kinder verstören wird, wenn sie je herausfinden, wie wenig Sie an sie denken und dass Sie sie zu Ostern einfach bei ihrem Kindermädchen lassen? Was, wenn irgendwas passiert? Was, wenn keiner Sie gefunden hätte?«
»Alex, ich hab's dir doch schon erklärt«, fällt sie mir ins Wort. »Ich brauche etwas Zeit für mich.«
»Nein!« Ich lasse sie gar nicht erst ausreden. Dieser Appell kommt mir nur allzu bekannt vor, von meinem eigenen Dad, ja sogar von meiner Mom. »Man lässt seine Kinder nicht im Stich, wenn sie einen brauchen. Das geht einfach nicht.«
»Wenn ich mich selbst erst mal wieder etwas aufgebaut habe, komme ich ja nach Paris zurück, aber bis dahin muss ich mich um meine sensible Psyche kümmern ... es war alles so schrecklich ...«
»Schrecklich? Wissen Sie, was echt schrecklich ist?«, frage ich in herausforderndem Ton. »Schrecklich ist, wenn die Kinder für die Fehler ihrer Väter bezahlen müssen. Bestrafen Sie sie nicht, nur weil er Sie verlassen hat!«
»Ach, Alex«, sagt Mme Sanxay. Mir entgeht nicht ihr frustriertes Seufzen. »Seit Weihnachten versuche ich nun schon, dich endlich zu dem Job zu kriegen, in den du eingewilligt hast. Also erledige ihn bitte, ohne dich zu beklagen. Ich muss jetzt auflegen.« Ich höre, wie sie ihr Handy kurz ablegt, um die Geräusche zu dämpfen. »Okay«, ruft sie irgendjemandem zu. »Mauvais moment.« Und dann sagt sie etwas in einer Sprache, die ich nicht verstehe.
»Wer ist da?«, rufe ich. »Mit wem sprechen Sie?«
»Au revoir, Alex«, sagt Mme Sanxay. »Ich sehe dich, wenn ich so weit bin, wieder nach Paris zurückzukommen. Küss meine Kinder von mir.«
Ich starre mich im Spiegel über Emelines Kommode an. Das kann doch nicht wahr sein! Sie kann das Gespräch mit mir doch nicht ernstlich zwischen Tür und Angel eingeschoben haben, bevor sie etwas mit Leuten unternimmt, die nicht ihre Kinder sind. Kochend vor Wut hämmere ich mit der Faust gegen Emelines kleines Bettchen. Mit wem hat sie da geredet? Mein Französisch mag ja nicht so gut sein wie das von PJ oder Zack oder auch das von Olivia, aber was sie da gesagt hat, klang ganz fremd ... Sekunde mal. So habe ich sie doch schon mal sprechen hören! Und zwar mit ihrer Schwester!
Jetzt weiß ich, wo Mme Sanxay ist: in diesem deutschen Kurort mit dem lustigen Namen, klar. Zack hat ja auch schon so was erwähnt. Ich sause in ihr Schlafzimmer, um meine
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