Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
mich.
Mein BlackBerry klingelt. »Alex, Süße«, reißt Mme Sanxay mich aus meinem Gedankenfluss. »Ich habe eine schreckliche Aufgabe für dich.«
»Hervorragend«, erwidere ich. »Das ist ja schön.«
»Die Kinder müssen geimpft werden. Ein Mädchen aus ihrer Grundschule war in der Schweiz und hat die Masern mitgebracht. Jetzt heißt es in der Schule, dass sie alle geimpft werden müssen, sonst breitet es sich in ganz Paris aus«, sagt Mme Sanxay bitter. »Wenn sie nicht heute noch geimpft werden, kommen sie in Quarantäne.« Sie ergeht sich in französischen Schimpftiraden. »Noch vor wenigen Jahren wurde niemand mehr geimpft und jetzt plötzlich ist es angeblich ach so notwendig ...«
»Ich bin geimpft«, sage ich, als wäre das eine hilfreiche Information. »In den USA sind alle geimpft.«
»Wie schön für dich, Alex«, entgegnet Mme Sanxay. »Aber wenn die Kinder zu Hause bleiben müssen, bis dieser Krankheitsausbruch in der Schule vorbei ist, weiß ich echt nicht mehr weiter.«
»Machen Masern müde?«, frage ich sie. Wenn die Kids für ein paar Wochen krank sind, schlafen sie ja vielleicht mal den lieben langen Tag? Dann könnte ich immer nachmittags Französisch lernen, statt in meinen Mittagspausen. Dadurch könnte ich mir möglicherweise wieder eine Art Privatleben aufbauen.
»Alex! Die Masern können ziemlich heftig verlaufen! Damit ist nicht zu spaßen!«
»Okay, okay!«, sage ich. Während ich darauf warte, dass sie mir genauere Anweisungen gibt, zeichne ich in mein Schulheft ein Kleid, das ich im Schaufenster von Bon Marche gesehen habe.
»Es gibt da eine Klinik in Clichy, in der sie ambulant impfen. Ich gehe davon aus, dass sie heute geradezu von Kindern aus unserer Schule überrannt wird. Wenn ich dir die Kinder bringe, kannst du mit ihnen hingehen? Dann muss ich meinen Termin nicht absagen.«
»Gehen Sie schon wieder zu Ihrem Anwalt?«
»Nein, Alex. Es geht dich zwar nichts an, aber ich bin bei meinem Therapeuten. Ich habe noch immer viel wegen der Trennung aufzuarbeiten.«
Ich ziehe eine genervte Grimasse, auch wenn mich keiner sehen kann. Nur so, für mich.
»Je comprends«, erwidere ich beruhigend. »Ich weiß, dass Sie eine Menge durchmachen.«
Sie räuspert sich. »Ich werde mit Albert und Emeline zu deiner Schule kommen. Gehst du dann mit ihnen nach Clichy? Und sorgst dafür, dass sie alle nötigen Spritzen bekommen? Charles kann ich zu meinem Termin mitnehmen.«
»Oui, das ist fein«, sage ich, ohne nachzudenken. Erst als sie das Telefonat hastig beendet und auflegt, wird mir klar, wozu ich gerade eingewilligt habe - wie schrecklich! Die Kids kommen zum Lycée. Alle aus unserem Programm werden sehen, warum ich mich in den letzten Wochen so rar gemacht habe.
Wütend trete ich gegen ein nahe stehendes Regal und stoße mir dabei den Zeh an. C.A.B. hat wieder zugeschlagen!
Ich ziehe mein BlackBerry hervor und schreibe meiner Mom eine weitere E-Mail, wie sehr ich wegen PJs Verschwinden und meinem Anteil daran am Boden zerstört bin. Aber sie reagiert darauf nur mit einem eingescannten Bild der Amex-Rechnung, die sie so wahnsinnig aufgeregt hat. Ich lösche diese Nachricht und kehre zu meinen Karteikarten zurück.
* * *
Livvy wartet mit mir zusammen auf den Eingangsstufen des Lycées auf Mme Sanxay, die mir erzählt hat, dass sie mit den Kids im Taxi herfährt.
Ich habe Olivia bisher nicht viel in Bezug darauf verraten, was mich in der letzten Zeit so auf Trab gehalten hat. Genauer gesagt, habe ich ihr eigentlich nur erzählt, dass ich eine Art Praktikum mache, um mich sprachlich zu verbessern.
»Madame Sanxay ist also deine Chefin?«, fragt Olivia mich. Verwirrt kräuselt sie die Nase. »Und jetzt bringt sie dir etwas vorbei?«
»Sozusagen«, antworte ich. Olivia gehört zu den Menschen, denen man nur höchst ungern bis ins letzte Detail erzählt, wenn man seine Mitmenschen enttäuscht hat. Als ich mir im Geiste vorstelle, wie ich ihr das Ganze erklären könnte, überkommt mich ein bisschen Scham darüber, im letzten Schulhalbjahr das Geld von meiner Mom und Mme Sanxay ausgegeben zu haben. Olivia ist einfach so ein Gutmensch. Sie würde es ums Verrecken nicht verstehen. Dass das Ganze nur für einen doofen Jungen war, der mich nicht mal geliebt hat. »Ich muss was für sie erledigen. In Clichy. Hast du denn gar keine Tanzprobe?«
»Erst um fünf«, antwortet Olivia. Sie legt mir kurz den Arm um die Taille. »Ich habe das Gefühl, schon so lange nichts mehr richtig mit
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