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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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sicheren Verstecke. Selbst Alex, sosehr Jay auch denkt, dass sie wahre Wunder bewirken kann, verfügt über nicht mehr Optionen als wir.
    Pigalle ist ein Ort, an dem man mich mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit am wenigsten suchen wird. Und in der Dunkelheit des Klubs kann man mich wahrscheinlich auch nicht erkennen, damit tröste ich mich ein wenig. Dort geben sich alle unauffällig und wollen unerkannt bleiben. Die Tänzerinnen. Der Barkeeper. Die Kunden. Ganz besonders die Kunden. Sogar diejenigen, bei denen mir der Atem stockt, weil sie mich so sehr an M. Marquet erinnern. Aus irgendeinem Grund glaube ich, dass er seinen Ruf nicht aufs Spiel setzen würde, indem er an so einen Ort geht. So oder so muss ich jedenfalls daran glauben und es mir immer wieder vorsagen, wenn ich diesen Job durchhalten will.
    Als Jay und ich rauskommen, ist zwar alles feucht, der Regen hat aber aufgehört. Der Bürgersteig sieht durch die Nässe ganz dunkel aus. »Kann ich dich zurück zu deiner Wohnung begleiten?«, fragt Jay. »Du hast mir noch gar nicht erzählt, wo sie liegt. Wo genau wohnst du denn jetzt?«
    »Ach so, sie ist drüben in La Defense.« Ich spreche das Erste aus, was mir in den Sinn kommt und was von Montreuil möglichst weit entfernt ist. La Defense ist ein Außenbezirk im Nordwesten der Stadt. Um dorthinzugelangen, muss man die Regionalbahn, den RER, nehmen.
    »Ich mache mich also besser auf den Weg.«
    »La Defense? Echt?«
    »Ja«, sage ich. »Ich laufe mit dir noch bis Havre-Caumartin. Von dort kannst du mit der Linie 3 bis nach Montreuil fahren.« Wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, kann man von einer damit verbundenen Station auch den RER nach La Defense nehmen. Ich bin zwar noch nie in La Defense gewesen, aber wie man dorthinkommt, habe ich mir glücklicherweise gemerkt, weil ich mir, ehe ich nach Paris gekommen bin, den Metro-Plan ganz genau angesehen habe.
    »la, lass uns ein Stück zu Fuß gehen«, sagt Jay. Er hat einen seltsamen Ausdruck im Gesicht. Er schaut mich gar nicht mehr richtig an, so als würde er sich vor irgendetwas scheuen.
    Ich entschuldige mich bei Jay dafür, dass ich so fertig bin. »Ich habe gestern Nacht einfach nicht genug geschlafen«, erkläre ich ihm.
    »Du bist zwar wieder da, aber irgendwie auch nicht«, bricht es plötzlich aus ihm heraus und er bleibt mitten auf dem Bürgersteig stehen. »Du bist zu mir gekommen. Du hast mich aufgesucht und mir gesagt, dass du mich brauchst. Aber du hast bis jetzt kein Wort darüber verloren, wo du warst oder was du gemacht hast. Warum hast du deinen eigenen Selbstmord inszeniert? Wo ist deine Schwester, die angeblich bei dir war? Wieso erzählst du mir nichts von ihr? Wieso erzählst du mir nichts von dir?«
    »Jay!«, bremse ich ihn und nehme seine Hand in meine. »Bitte nicht!«
    »Es kursieren alle möglichen verrückten Gerüchte über dich. Es heißt, deine Eltern sind Drogenhändler. Deine Schwester ist angeblich wieder in den USA aufgetaucht, als wäre nichts geschehen. Da wissen ja sogar Boulevardjournalisten mehr als ich!« Es ist dieselbe Intensität wie vor zwei Nächten, nur mit einer völlig anderen Emotion.
    »Bitte hör auf«, bettle ich und fasse wieder nach seiner Hand. Jede der Fragen, mit denen er mich bestürmt, wühlt mich mehr auf, bohrt sich wie ein Speer in mich hinein, und als ich das Ausmaß dessen, was geschehen ist, erkenne, kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wimmernd bedecke ich mit dem Unterarm mein Gesicht. »Bitte, Jay.«
    »Du sagst mir ja nicht mal, was deine Leibspeisen sind oder wo du wohnst!« Er speit die Worte geradezu aus. Er scheint tief getroffen zu sein. »Wir haben all die Dinge geteilt, die wir neulich Nacht geteilt haben. Und doch hältst du so viel vor mir geheim. Ich sage dir, ich liebe dich, und du bleibst stumm!«
    »Geht es darum?«, frage ich und lasse seine Hand los. »Weil du das zu mir gesagt hast?«
    »Nein, es geht um weit mehr! Was hast du in Rouen gemacht, PJ? Sag's mir!«
    Ich entferne mich von ihm und wische mir dabei Tränen aus den Augen. »Ich wünschte, du könntest dich da raushalten! Lass mich einfach nur in Ruhe!«
    »Wo gehst du heute Abend hin, PJ? In Wahrheit?«, fragt Jay und schüttelt den Kopf. In seinem Gesicht spiegelt sich so starker Aufruhr, dass ich den Atem anhalte und einen Laut unterdrücke, der irgendwo zwischen dem Stöhnen nach einem Schlag in die Magengrube und dem traurigsten Anblick der ganzen Welt liegt. Ich muss mich abwenden. Ich muss

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