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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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das schon mal gemacht?«, fragt Jay, während seine Finger kurz auf den Knöpfen meiner Jeans innehalten.
    Ängstlich schüttle ich den Kopf. »Nein. Aber ich möchte es gern.« Während sich seine Hände weiter auf mir bewegen, fühle ich mich so, als würde ich die Tür zu einem anderen Leben aufstoßen, und es ist das beste Gefühl, das ich jemals hatte.
    * * *
    Als ich um sechs Uhr früh aus seinem Fenster klettere, verabreden wir uns für später in einem Fast-Food-Laden. Den ganzen Tag laufe ich im Bois de Vincennes herum, hin und her gerissen zwischen der großen Angst, am helllichten Tag von jemandem aus dem Lycée entdeckt zu werden - oder noch schlimmer: von der Presse - und einem warmem Kribbeln tief in meinem Bauch, wann immer ich an die vergangene Nacht denke.
    Jay bestellt uns zwei Sandwiches grecs, Pitas mit würzigen Hühnerstückchen und Salat. Er nimmt Pommes dazu, aber ich will keine. »Ich bin gar nicht so hungrig«, sage ich zu ihm.
    »Hast du denn jemals Hunger?«, fragt er mich.
    »Doch, ja«, lüge ich. »Was soll die Frage?«
    »Erzähl mir, was du gerne isst«, sagt Jay. »Dann kann ich mit dir dorthin gehen, wo es das gibt. Du isst nie, wenn ich esse. Seit Wochen stocherst du nur im Essen herum und siehst mir dabei zu, wie ich mir das Essen reinziehe. Du musst doch irgendwas mögen.«
    »Das hier mag ich.« Ich deute auf das fast unangerührte Sandwich. »Ich bin nur ... ich weiß nicht. Mir ist in letzter Zeit oft übel.«
    »Und was war nun eigentlich mit Alex? Hat sie dir eine Bleibe vermittelt, wo du schlafen kannst, während du dein Leben organisierst?«
    »Ja«, antworte ich. »Ich gehe sogar noch heute Abend hin.« Ich habe mich bereits dazu entschlossen, weder ihm noch Alex zu erzählen, dass Freddie das Apartment für Models gar nicht mehr besitzt. Jedenfalls nicht, solange ich nicht mehr über den Job weiß, den er möglicherweise für mich in petto hat.
    »Wirklich? Warum hast du denn nichts gesagt?«, fragt Jay. »Ich komme mit. Ich möchte sichergehen, dass dort alles gut aussieht.«
    »Ach komm schon, Jay.« Ich tue so, als müsste ich schmunzeln. »Wo doch Alex die Unterkunft besorgt hat? Da kann man sicher sein, dass es erstklassig und alles sehr diskret ist.«
    »Mann, du hast ja keine Ahnung!«, entgegnet Jay. »Als wir dich gesucht haben, du weißt schon, in Montauban ...« Jay sieht plötzlich verlegen aus. »Ich meine, ich weiß ja nicht mal genau, warum wir gedacht haben, du könntest dort sein. Aber es schien irgendwie ein guter Ort zu sein, um mit der Suche zu starten, und Mann, die Wohnung von Alex' Dad war echt unglaublich! Das Apartment oder die Eigentumswohnung oder was es auch immer war, war quasi im Glockenturm einer alten Kirche. Und als wir da am Abend angekommen sind, haben sie uns einfach die Schlüssel in die Hand gedrückt und uns von Anfang an das Gefühl gegeben, zu Hause zu sein. Kein kritisches Wort, nichts. Wenn man so lebt, hat man's echt geschafft.« Seine Stimme klingt so positiv, so munter, dass ich ihm jetzt erst recht nicht erzählen kann, dass es bei mir wohl nicht ganz so toll wird.
    Zaghaft beiße ich vom fettigen Hühnchen ab. Vielleicht fühlt er sich besser, wenn ich etwas esse.
    »Ich will nicht, dass du mitkommst, weil ich nicht möchte, dass der Typ denkt, ich suche nur einen Ort, an dem ich mich ungestört mit meinem Freund treffen kann«, sage ich. Eine lahme Ausrede. Und dann muss ich plötzlich laut lachen. Nicht so sehr wegen des Gedankens an sich, sondern weil mir bewusst ist, dass ich gerade etwas Beschämendes gesagt habe und wir beide das wissen.
    »Ich bin also dein Freund?«, fragt Jay, ohne weiter darauf zu drängen, dass er heute Abend mitkommt. Ohne weiter darauf zu drängen, mehr zu erfahren.
    Er will, dass ich es noch mal wiederhole: »Ja, du bist mein Freund«, sage ich. Ich ziehe mir meinen Schal enger um den Hals. Bei diesen Worten wird mir irgendwie kalt. Jay legt seine Hand auf meine.
    »Das ist der Hammer, Mann«, ist alles, was er herausbringt, weil er zu breit grinst, um sprechen zu können.
    Gegen meinen Willen muss ich kichern. Als Jay sich zu mir beugt und mich küsst, spüre ich dieselbe Hitze in seinem Mund wie in der vergangenen Nacht. Sie reißt mich mit sich fort, obwohl wir mitten in einem Fast-Food-Laden sitzen und von lauter Menschen umgeben sind.
    Mit Jay kann ich es schaffen, das weiß ich. Ich kann es durchstehen, bis es vorbei ist, bis ich mehr weiß und achtzehn bin. Bis ich wirklich frei bin.
    *

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