Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
Bobby hat den Eiffelturm zwar schon mal auf einer Parisreise mit seinen Eltern gesehen, aber er hat einen neuen Fotoapparat und möchte gern ein paar Bilder machen. Anschließend hängen wir eine Weile auf dem Platz ab und beobachten die Leute. Danach gehe ich mit ihm zur Gedenkstätte von Prinzessin Diana in der Nähe der Avenue de New York, die noch immer von vielen Leuten mit Fotos und Bildern dekoriert wird.
»Ich bin so froh, dass ich nicht mit dem Typen da in Paris unterwegs bin«, merkt Bobby leise an, als wir die Straße überqueren, die zum Flussufer führt. Mit einem Kopfnicken zeigt er auf einen älteren, offenbar amerikanischen Mann mittleren Alters, der (im März!) Shorts trägt und einen Camcorder sowie einen Fotoapparat mit Weitwinkelobjektiv um den Hals hängen hat. Ständig blafft er seine Frau und seine Kinder an, sie sollten sich beeilen, weil es noch so viel zu sehen gebe. In der Hand hält er einen riesigen Stadtplan von Paris, um den sie sich alle geschart haben und nun versuchen herauszufinden, wie sie von hier zum Louvre gelangen.
»Du könntest Franzose sein, so gut, wie du dich in Paris auskennst! Gott sei Dank! Denn wenn's nicht so wäre, hätte ich noch meinen Ruf ruiniert, weil ich mit dir rumlaufe.«
»Ja, findest du?«, sage ich geschmeichelt. Es ist nicht so, dass ich das nicht insgeheim auch denke, aber ich hätte nicht vermutet, dass es jemandem auffällt. Meiner Meinung nach kann ich mich in Paris sogar besser orientieren als alle anderen aus dem Lycée. Sogar besser als Alex, und die reibt einem ja pausenlos unter die Nase, dass sie schon nach Paris kommt, seit sie ein Kleinkind war.
Ich denke an den Tag zurück, als mir das zum ersten Mal durch den Kopf ging. Es war Ende November, kurz vor Thanksgiving. Ich war beim Friseur gewesen, und nachdem ich kurz mit der Friseurin gesprochen hatte, wurde mir auf einmal bewusst, dass ich einfach alles verstand, was sie sagte. Als ich aus dem Friseursalon rauskam, hatte ich exakt den Haarschnitt, den ich mir vorgestellt hatte. Meine Erklärung, was ich genau haben wollte, war also perfekt gewesen!
Danach fielen mir immer wieder derartige Dinge auf. Dabei war es gar nicht nur die Sprache. Ich konnte, während ich eine Straße entlangging, ein Croissant essen, ohne dabei auf meine Jacke oder meinen Schal zu krümeln. Oder ich wusste genau, in welchen Wagen ich in der Metro einsteigen musste, damit es fürs Umsteigen am besten war. Alles flutschte plötzlich nur so, war im Fluss. Es war Routine und Alltag geworden.
»Eindeutig«, sagte Bobby. »Du fällst unter den Einheimischen gar nicht mehr auf, würde ich sagen. Andererseits weiß ich natürlich nicht, wie du früher warst. Vielleicht ist die Veränderung ja sogar noch krasser, als ich es dir jetzt zugestehe. Mir kannst du's doch sagen, Zack.« Er legt mir einen Arm um die Schultern und schaut mir direkt in die Augen. »Bist du mit einem Nackenspoiler und einem Muskelshirt hergekommen? Haben dir ein paar Zähne gefehlt? Und war dein Nacken so krebsrot wie bei einer langoustine ?«
Ich schüttle ihn ab und verdrehe die Augen. »Wenn dir bis jetzt nicht aufgefallen ist, dass ich meine Zähne gut pflege und immer mindestens Lichtschutzfaktor 50 auftrage, vor allem auf meinen Nacken, dann kannst du gleich wieder zurück nach Amsterdam fahren.«
»Oh, ich bedaure zutiefst, Euch gekränkt zu haben, Mylord«, sagt Bobby mit gespielter Unterwürfigkeit und verbeugt sich tief. Das erinnert mich daran, wie ich Alex immer wegen ihrer supermodischen Mom, C.A.B., aufgezogen habe.
»Ach, hör auf.« Lachend richte ich ihn wieder aus seiner tiefen Verbeugung auf. »Hast du Lust, ins Musée d'Orsay zu gehen? Es ist hier ganz in der Nähe.« Ich deute die Seine hinunter auf ein schönes, imposantes Gebäude, das eher einem Bahnhof ähnelt als einem Museum. »Oder wir könnten um die Île de Saint-Louis herumspazieren.«
»Klar, gern, ganz egal was«, sagt Bobby. »Es ist einfach schön, mit dir hier zu sein. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass es bei uns noch einige offene Fragen gibt. Findest du nicht?«
»Wirklich?«, lache ich.
Bobby sieht mich eindringlich an. »Das weißt du doch. Du hast mir nie erzählt, warum du mich eigentlich in die Gracht geschubst hast!«
»Bobby, das haben wir doch schon alles durch.« Ich kann nicht anders, als zu lachen, weil ich mich bereits stundenlang in E-Mails und auf Facebook bei Bobby dafür entschuldigt habe. »Ich hab dich nicht reingeschubst! Das war
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