Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
soll.
11 • ZACK
Nicht Fisch, nicht Fleisch
Am Mittwochnachmittag fallen Olivia und ich ins Computerlabor ein, bevor sie zur Tanzstunde muss und ich zum Sport. Alex ist auch da. Sie isst kalte Udon-Nudeln und verschmiert die Soße überall auf dem Computer, an dem sie gerade chattet. Ich höre, wie sie wegen irgendetwas, das auf dem Bildschirm zu sehen ist, schnaubt, und als ich zu ihr hinsehe, verdreht sie die Augen, ohne jedoch ihr Kauen zu unterbrechen. Sie blickt von ihrem Stuhl zu mir auf, so als würde sie erwarten, dass ich sie frage, was denn so lustig sei, aber ich beachte sie gar nicht. Obwohl die Nudeln echt lecker aussehen. Im letzten Schulhalbjahr hätte ich dafür gesorgt, dass ich etwas davon abbekomme.
Ich will und kann mich aber nicht mehr von Alex in ihren Bann ziehen lassen. Ich meine, welcher Freund versucht, hinter dem Rücken des anderen dessen Angebeteten zu verführen? Sie denkt immer nur an sich. Ehrlich gesagt bin ich sogar froh, dass sie in den Weihnachtsferien ihr wahres Ich gezeigt hat. Ich mag gar nicht daran denken, wie viel mehr Schaden sie noch hätte anrichten können, wenn sie die Chance dazu gehabt hätte!
»Hey, Alex«, sagt Olivia. »Was hast du denn am Wochenende vor?«
»Hey, Livvy«, entgegnet Alex. »Am Samstag muss ich meinen Nachhilfelehrer treffen. Aber abgesehen davon habe ich frei. Was macht ihr denn so?« Sie geht anscheinend davon aus, dass Livvy und ich etwas gemeinsam unternehmen, was im Moment tatsächlich oft der Fall ist.
»Ich weiß nicht. Wäre es nicht schön, wenn wir alle zusammen etwas machen würden?«, fragt Olivia und sieht mich dabei hoffnungsvoll an. Ihr Hundeblick scheint zu bedeuten, dass ich etwas organisieren soll. »Was hast du denn am Wochenende vor, Zack? Hast du schon von -«
Ich neige meinen Kopf leicht zur Seite, damit sie André nicht erwähnt. Ich möchte nicht, dass Alex von ihm weiß. Mir fällt ein, dass wir mal einen Pakt miteinander geschlossen haben: dass wir uns gegenseitig helfen, einen Freund zu bekommen. Aus jetziger Sicht würde ich ihr aber nicht mehr helfen. Sie würde es so oder so nur kaputt machen.
Ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf Gmail und entdecke eine weitergeleitete E-Mail von der niederländischen Bahngesellschaft - ein E-Ticket für einen Zug von Amsterdam nach Paris, mit Bobbys Namen darauf. Er kommt an diesem Freitag um vier Uhr nachmittags an.
»À bientôt, Mann«, hat Bobby über die weitergeleitete Mail geschrieben.
Geräuschvoll stoße ich den Atem aus. Das habe ich ja total vergessen: Bobby kommt an diesem Wochenende! Mir wird ganz flau im Magen. Bobby und ich haben in Amsterdam so eine schöne Zeit miteinander verbracht - zumindest, bis ich ihn aus Versehen in eine Gracht geschubst habe. Aber das ist lange her und vergessen. An diesem Wochenende lernen wir uns vielleicht endlich mal richtig kennen.
Ich tippe Olivia auf den Arm und will ihr gerade erzählen, dass ich tatsächlich schon Pläne für das Wochenende habe, und zwar ziemlich aufregende, doch da kommt eine neue E-Mail rein. Als ich fett gedruckt den Namen des Absenders zuoberst in meinem Posteingang sehe, halte ich erschrocken den Atem an. »Oh, Livvy!«, kreische ich, ohne mich darum zu kümmern, dass Alex es hören könnte. »Schau mal!«
»Was ist denn?«, fragt sie und beugt sich über mich, um es mit eigenen Augen zu sehen. »Von ihm?«
Na, am Wochenende Zeit? Ich habe ein zweites Ticket für eine große Show in Qualite du Sound. Sag Bescheid, wenn du hingehen möchtest.
Bisous! André
Unwillkürlich muss ich breit grinsen. Bobbys Besuch ist schlagartig vergessen. »Das ist der Wahnsinn! Gerade habe ich an ihn gedacht.«
Olivia lächelt wohlwollend. »Echt?«, sagt sie, obwohl sie weiß, dass ich eigentlich dauernd an André denke. »Oh, warte.« Sie schaut auf ihre eigenen E-Mails. »Ich habe gerade die gleiche Mail bekommen.«
Ich spüre einen leichten Stich, als ich das Mitleid in ihrer Stimme höre. »Trotzdem. Es ist echt nett, dass er mich einlädt. Ich würde sein Angebot gern annehmen.«
»Ja«, Olivia meint es ehrlich. »Keine Frage. Das solltest du tun, Zack.«
Am selben Abend in meiner Gastfamilie sehe ich all meine Klamotten durch und überlege, ob ich überhaupt etwas besitze, was cool genug für Qualité du Sound ist. Ich nehme all meinen Mut zusammen, um André eine Antwort zu mailen und ihm zu sagen, dass ich liebend gern sein zweites Ticket in Anspruch nehmen würde. Vielleicht könnte ich ja das
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